von Stephan Richter
Auch in der Politik gibt es Glücksfälle. Joachim Gauck ist so
einer. Er ist der richtige Bundespräsident zur richtigen Zeit. Das
gilt mit Blick auf den von seinem Vorgänger Christian Wulff
hinterlassenen Vertrauensverlust, der plötzlich wie weggewischt
scheint. Das gilt für sein Thema der Freiheit, dem er in seiner
Antrittsrede ein klares Bekenntnis zur sozialen Gerechtigkeit
hinzufügte. Besser konnte Gaucks Einstand im Amt nicht sein.
Dass er den richtigen Ton zu treffen vermag, war von dem
wortgewaltigen Mann bekannt. Doch zum makellosen Auftritt kam der
Mut, auch die Verdienste der so genannten 68er-Generation zu
würdigen. Wann hat es das schon mal gegeben – und obendrein vom
ersten ostdeutschen Staatsoberhaupt? Zugleich ließ Gauck mit diesem
Hinweis aufblitzen, dass er durchaus unbequem sein kann. Zum Mut kam
die Größe, die von Christian Wulff in Gang gesetzte
Integrationsdebatte aufzugreifen. Es wäre für ein modernes,
weltoffenes Deutschland fatal gewesen,hätte Gauck dieses politische
Verdienst seines Vorgängers ignoriert.
Nein, Gauck hielt keine pastorale Rede, wie es manche vom Pfarrer
aus Rostock vermutet hatten. Hinter der wohltuenden Unaufgeregtheit
seines Vortrags steckten deutliche politische Botschaften. Das
Bekenntnis zu Europa gehörte ebenso dazu wie seine Kampfansage an den
Rechtsextremismus.
Mit seiner Antrittsrede wischte Gauck alle Bedenken vom Tisch, er
habe nur „ein Thema“. Im Gegenteil. Er machte deutlich, dass sich
hinter Freiheit und Gerechtigkeit – gepaart mit der Verantwortung –
fast alle anderen großen Themen verbergen und der Schlüssel für ein
Deutschland sind, das allen Bürgern Chancen und Teilhabe ermöglicht.
Die Antrittsrede – verbunden auch mit dem Hinweis auf Willy
Brandts Aufforderung „Mehr Demokratie wagen“ von 1969 – war
schließlich auch ein Ansporn für das Parlament. Der stürmische
Beifall für Gauck zeigt, wie befreiend es sein kann, wenn nicht nur
von Problemen, Herausforderungen oder Sparzwängen die Rede ist,
sondern auch vom Glück der Freiheit, von Zuversicht und Stolz auf ein
„Land des demokratischen Wunders“. Gauck, der Vertrauensstifter.
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