Gefährliche Pflege durch Personalmangel / Pflegekräfte der Intensivstation des Diakonie-Klinikums in Stuttgart schlagen Alarm / „Report Mainz“ am Dienstag, 28. November, 21:45 Uhr im Ersten (FOTO)

120 Überlastungsanzeigen und mehrere Briefe der Intensivstation
des Diakonie-Klinikums Stuttgart liegen dem ARD-Politikmagazin
„Report Mainz“ und „Zeit online“ vor. Daraus geht hervor, dass auf
der Station häufig „extrem gefährliche Pflege“ stattfindet, weil zu
wenig Personal auf der Station sei.

Viele der 120 vorliegenden Überlastungsanzeigen sprechen von
„gefährlicher Pflege“ oder „fahrlässiger Pflege“.
Überlastungsanzeigen sollten Pflegekräfte immer dann verfassen, wenn
sie für die aktuelle Situation keine Verantwortung mehr übernehmen
können. Sie sind eine arbeitsrechtliche Absicherung, aber auch eine
wichtige Information für die Klinikleitung über die Situation auf
einer Station.

Die vorliegenden Überlastungsanzeigen listen diverse Pflegemängel
auf, die auf Personalmangel zurückzuführen seien: „stressbedingt
falsche Medikamentengabe“, „Hygiene eingeschränkt durchgeführt“ oder
„Keine der anwesenden Pflegekräfte hat Erfahrung mit Beatmung“. In
einem Brandbrief an ihre Geschäftsleitung beschreiben die
Pflegekräfte etwa eine Spätschicht im Juni 2017, in der sich der
Zustand von zwei schwerstkranken Patienten deutlich verschlechtert
habe, weil die bis zu zwei Stunden auf ihre Aufnahme warten mussten.
Das habe bei einem Patienten dazu geführt, dass er „intubiert und
beatmet werden musste“. Der andere Patient in „kritischem Zustand“
habe ebenfalls nur verzögert behandelt werden können.

Der ärztliche Direktor der Diakonie Prof. Rainer Meierhenrich
bestreitet im Interview mit „Report Mainz“, dass Patienten „wirklich
in Gefahr“ waren. Zu der im Brief geschilderten Situation sagt er,
dies sei eine „spezielle Situation“ gewesen. Eine Pflegekraft der
Intensivstation des Diakonie-Krankenhauses erklärt gegenüber „Report
Mainz“ und „Zeit online“, dass die Station in sehr vielen Schichten
unterbesetzt sei. Häufig seien nur zwei statt drei Pflegekräfte auf
der Station. Und dabei könne ein Fehler in der Beatmung einen Hirntod
des Patienten auslösen. „Man wundert sich, dass Patienten nicht
reihenweise versterben.“ Die Klinikleitung hätte gegenüber den
Pflegern auf die Überlastungsanzeigen in der Regel nicht reagiert.

Auf konkrete Nachfrage von „Report Mainz“ wollte sich der
ärztliche Direktor nicht festlegen, ob und wie die Klinikleitung auf
diese gegenüber dem Pflegepersonal reagiert hat.
Verdi-Vorstandsmitglied Sylvia Bühler hält es für „unverantwortlich,
diese Hilferufe und diese Überlastungsanzeigen nicht ernst zu
nehmen“. Es sei Gefahr im Verzug, die man ignoriere. Der
Personalmangel ist allerdings kein Einzelproblem. Gegenüber „Report
Mainz“ berichten Pflegekräfte von drei weiteren Stuttgarter Kliniken
von gravierender Patientengefährdung aufgrund von Personalmangel.

Auch auf einer Normalstation kann das lebensgefährlich sein. Eine
Pflegerin berichtet, einer ihrer Patienten sei gestorben, weil zu
wenige examinierte Pflegekräfte auf der Station waren. „Es gab
mehrere hektische Übergaben und zu wenige examinierte Kräfte auf der
Station.“ Dadurch sei eine Magenblutung unentdeckt geblieben. Sie sei
sich sicher, der Patient könne heute noch leben. Ein Intensiv-Pfleger
berichtet, dass aufgrund von Personalmangel Patienten seiner Station
häufig länger als nötig beatmet würden: „Jeder Beatmungstag erhöht
des Sterberisiko und man riskiert so eine Lungenentzündung.“

Zitate gegen Quellenangabe frei.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an „“Report Mainz““, Tel. 06131
929 33351 oder -33352.

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