Von Kai Pfundt
Die Vorwürfe gegen John Demjanjuk sind an Monstrosität kaum zu
überbieten: Als Helfer der SS-Täter war der gebürtige Ukrainer im
Vernichtungslager Sobibor an der Ermordung von fast 28 000
Menschen beteiligt. Davon ist das Landgericht München überzeugt und
sprach Demjanjuk nach einem quälend langen, von Zweifeln geprägten
Verfahren schuldig. Zweifel wegen der Verhandlungsfähigkeit des
Angeklagten, Zweifel am Unterfangen, über Verbrechen Recht zu
sprechen, die fast 70 Jahre zurück liegen. Trotz des Schuldspruches
verlässt Demjanjuk das Gerichts als freier Mann. Er kommt in den
Genuss einer Justiz, die mildernde Umstände und Verhältnismäßigkeiten
berücksichtigt – im Gegensatz zum verbrecherischen System, dem er
diente. Der 91-Jährige ist kein Haupttäter, er war ein Rädchen im
Getriebe der NS-Vernichtungsmaschine. Die grundsätzliche Frage
bleibt, wie angesichts der Ungeheuerlichkeit der Taten Gerechtigkeit
überhaupt hergestellt werden kann. Eine Frage, die in die Gegenwart
hineinreicht. An der Beantwortung versuchen sich beispielsweise die
UN-Kriegsverbrechertribunale. Die rechtliche Verfolgung der
NS-Verbrechen geht dem Ende zu. Verbrechen gegen die Menschlichkeit
aber gibt es in der Gegenwart, und, so ist zu befürchten, auch in der
Zukunft. Die Botschaft aus München an die Täter, etwa in Syrien und
Libyen: Eure Untaten können geahndet werden, selbst wenn Jahrzehnte
vergangen sind. Der Rechtsstaat ist bei aller Unvollkommenheit nicht
wehrlos.
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