HAMBURGER ABENDBLATT: Inlandspresse, Hamburger Abendblatt zu Kanzlerin Merkel

Ein Kommentar von Egbert Nießler

Wenn der Verstand für Erklärungen nicht mehr ausreicht, müssen
Gefühle sprechen. Daran hat sich auch Kanzlerin Merkel gestern im
Bundestag gehalten, als sie ihre Atomwende mit noch immer
aufsteigendem radioaktiven Dampf in Fukushima und ihrer daraus
resultierenden plötzlichen inneren Ein- und Umkehr begründete. Die
emotionale Ansprache dürfte eher an die eigenen Reihen gerichtet
sein, in denen sich noch so mancher Parteiveteran schwertut mit der
doppelten Energiewende. Ihre Kritiker werden der sonst nüchtern und
pragmatisch kalkulierenden Regierungschefin die Aufwallung ohnehin
nicht abnehmen. Und noch wird wenig und verschwommen über die Kosten
der „Herkulesaufgabe“ Atomausstieg geredet. Regierung, Opposition,
Kraftwerksbetreiber und Ökoenergiebranche rechnen künftige
Stromkosten in beängstigender Eintracht klein. Da erinnert die
Kanzlerin wieder an ihren Mentor Helmut Kohl. Der hat den Deutschen
auch versprochen, die Wiedervereinigung sei quasi zum Nulltarif zu
haben. Aber wenn Flunkereien am Ende der Nation dienen, werden sie
von dieser auch verziehen.

Pressekontakt:
HAMBURGER ABENDBLATT
Ressortleiter Meinung
Dr. Christoph Rind
Telefon: +49 40 347 234 57
Fax: +49 40 347 261 10
christoph.rind@abendblatt.de meinung@abendblatt.de