Hessische Landesregierung beschließt Aktionsplan gegen häusliche Gewalt

Oft wissen die Partner nicht weiter, wenn es zum Streit kommt und der Mann schlägt zu. „Selbst wenn das im häuslichen Bereich geschieht, ist es nicht die Privatangelegenheit von Täter und Opfer“, sagt Justizminister Jörg-Uwe Hahn: „Gegen häusliche Gewalt greift der Staat ein. Dies ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.“

Jede vierte Frau in Deutschland hat körperliche oder sexuelle Gewalt durch aktuelle oder frühere Beziehungspartner erlebt. Häufig sind Kinder mitbetroffen. Zur fortgesetzten Bekämpfung dieses gesamtgesellschaftlichen Problems hat die Hessische Landesregierung kürzlich den 2. Aktionsplan gegen häusliche Gewalt beschlossen. Dem Beschluss lag eine gemeinsame Kabinettsvorlage des hessisches Justizministers, des Innenministers und des Sozialministers zugrunde.

„Das Gewaltschutzgesetz wird in Hessen engagiert im Interesse der betroffenen Frauen und Kinder umgesetzt. Auch die Arbeit der Landeskoordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt zeigt Erfolge. Dennoch ist das Thema häusliche Gewalt nach wie vor hochaktuell. Es ist wichtig, dass es immer wieder in das Bewusstsein aller gerufen wird“, betont Sozialminister Stefan Grüttner. „Die Betroffenen werden drangsaliert, gedemütigt und isoliert. Sie schweigen darüber. Außenstehende müssen die Warnzeichen erkennen und sorgsam reagieren. Mit Fortbildungsmaßnahmen für Fachkräfte in Behörden, im Gesundheitssektor wie auch in den Schulen sorgt die Hessische Landesregierung dafür, dass die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für die Prävention und den Schutz vor Gewalt nach professionellen Standards ausgeübt wird.“ Mit dem zweiten Landesaktionsplan stehe Hessen wir bereits in der Vergangenheit dafür ein, „dass im Rahmen des Möglichen Maßnahmen gegen häusliche Gewalt dauerhaft erhalten, erkennbare Lücken geschlossen und Planungsgrundlagen geschaffen werden, um die Versorgung Betroffener zu gewährleisten“, so Grüttner.

Augenmerk auf Prävention und Vernetzung

„Bei dem jetzt vom Kabinett beschlossenen Aktionsplan gegen häusliche Gewalt haben wir insbesondere ein Augenmerk auf die Prävention und die Vernetzung der mit dem Thema betrauten Berufsgruppen gelegt“, so Innenminister Boris Rhein. Polizei, Justiz und die Beratungsstellen arbeiten enger zusammen. Es gibt gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen. So haben Experten die Polizei in Seminaren und Fachtagungen für den Umgang mit Gewalt in Familien weiter sensibilisiert.

„Streifenbeamtinnnen und ?beamte sind meist die ersten Ansprechpartner für die Opfer vor Ort. Mir ist deshalb wichtig, dass die Polizei auch Hilfe anbietet, beispielsweise stellen die Beamten auf Wunsch der Opfer inzwischen den Erstkontakt zu den Beratungsstellen her“, so Innenminister Boris Rhein. Die Mitarbeiter der Beratungsstellen gehen dann auf die betroffenen Frauen zu.

„Durch die Gerichte und Staatsanwaltschaften werden die Opfer schon früh über ihre Schutzmöglichkeiten informiert“, sagt Justizminister Jörg-Uwe Hahn.

Die Aktualisierung des Landesaktionsplanes gegen häusliche Gewalt wurde erarbeitet durch die aus 15 Sachverständigen zusammengesetzte Arbeitsgemeinschaft „Häusliche Gewalt“ des Landespräventionsrates. Sie hat dabei insbesondere Vorschläge zum weiteren Ausbau der Maßnahmen zum Schutz und zur Hilfe für die Opfer sowie zur Intervention gegen die Täter gemacht.

Gerade auch die Täterarbeit wird mehr vorangetrieben: „Die Männer sind oft verzweifelt. Auch spielt oft Alkohol eine Rolle“, sagte Justizminister Jörg-Uwe Hahn: „Da ist Strafe zu wenig. Wir müssen auch die Täter beraten und ihnen mit einem Anti-Aggressionstraining helfen. Der Therapeut empfiehlt ihnen, nicht zuzuschlagen, erst einmal die Situation zu verlassen, um klare Gedanken fassen u können. Die Betreuung und Therapie des Täters ist der beste Schutz für das Opfer.“

Zum Hintergrund: Nach dem Ergebnis der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegebenen Studie „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland“ aus dem Jahre 2004 haben rund 25 Prozent der in Deutschland lebenden Frauen Formen körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch aktuelle oder frühere Beziehungspartner erlebt. Häusliche Gewalt ist damit ein Thema von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, welches in allen Schichten anzutreffen ist. Der Schutz vor Gewalt im häuslichen Bereich obliegt als öffentliche Aufgabe dem Land, den Landkreisen und den Kommunen.

Dieser Verantwortung hat das Land bereits am 29. November 2004 Rechnung getragen, indem das Kabinett den Aktionsplan des Landes Hessen zur Bekämpfung der Gewalt im häuslichen Bereich beschlossen hat, welcher eine Geltungsdauer von fünf Jahren hatte.

Der Entwurf war erarbeitet worden durch die Arbeitsgemeinschaft II „Häusliche Gewalt“ der Sachverständigenkommission für Kriminalprävention der Hessischen Landesregierung (Landespräventionsrat), welche derzeit aus 15 Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft, der einbringenden Ressorts, kommunaler Frauenbüros, kommunaler Jugendämter sowie freier Träger der Schutz- und Beratungseinrichtungen für Frauen, Kinder und Männer besteht.

Der Aktionsplan 2004 hat insbesondere einen Schwerpunkt auf die Vernetzung der mit häuslicher Gewalt befassten Berufe gelegt. Um dies zu befördern, wurde 2006 im Hessischen Ministerium der Justiz die Landeskoordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt eingerichtet. Sie fördert die interdisziplinäre Zusammenarbeit insbesondere durch Veranstaltung von Fortbildungen und Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel der Aufklärung und Information. Sie unterstützt auch die kommunalen Arbeitskreise gegen häusliche Gewalt, indem sie den Austausch der Arbeitskreise untereinander, aber auch mit der Arbeitsgruppe II „Häusliche Gewalt“ des Landespräventionsrats, durch jährliche Treffen ermöglicht.

Der neue Aktionsplan
Nachdem die Geltungsdauer für den Aktionsplan 2004 abgelaufen ist, hat ihn die Arbeitsgruppe seit 2008 auch im Hinblick auf die bislang erfolgte Umsetzung mit dem Ziel des weiteren Ausbaus der Maßnahmen zum Schutz und zur Hilfe für die Opfer und deren Kinder sowie zur Intervention gegen die Täter aktualisiert.

Die Evaluierung hat ergeben, dass seit Inkrafttreten des ersten Aktionsplans zahlreiche Maßnahmen in den Geschäftsbereichen des Justiz-, Innen-, und Sozialressorts umgesetzt werden konnten. Daher „erfindet der Zweite Aktionsplan das Rad nicht neu“, sondern will das Ziel der Verstetigung und des Ausbaus der Maßnahmen ins Zentrum rücken. Bei der Aktualisierung wurde weiterhin ein Augenmerk auf die Prävention häuslicher Gewalt sowie die Vernetzung der mit dem Thema befassten Berufsgruppen gerichtet.

Sie gliedert sich in einen Einleitungstext zu den Punkten
1. Ressourcen
2. Öffentlichkeitsarbeit
3. Koordiniertes Vorgehen
4. Polizeiliche Intervention
5. Zivilrechtliche Schutzmaßnahmen ?Justiz-
6. Strafjustiz
7. Beratungs- und Unterstützungsangebote
8. Gesundheit
9. Aus- und Fortbildung
10. Prävention

mit vorangestellter Präambel sowie einer der Gliederung entsprechenden tabellarischen Übersicht über die mit dem Aktionsplan verfolgten Ziele, die zur Umsetzung dieser Ziele wahrzunehmenden Aufgaben nebst Benennung der hierfür Verantwortlichen sowie die Frage der bereits erfolgten Umsetzung.

Mit dem Beschluss eines zweiten Aktionsplans steht das Land Hessen weiterhin dafür ein, dass Maßnahmen dauerhaft erhalten, erkennbare Lücken geschlossen und Planungsgrundlagen geschaffen werden, um die angestrebte bedarfsgerechte Versorgung und einen niedrigschwelligen Zugang zu den vielfältigen Hilfsmöglichkeiten für Frauen, Kindern und Männer weiter auszubauen. Ebenso sollen auch die Kooperation der mit häuslicher Gewalt befassten Berufsgruppen und deren Weiterbildung fortentwickelt werden.

Maßnahmen des Hessischen Ministeriums der Justiz gegen häusliche Gewalt
Strafverfolgung
Bei den hessischen Staatsanwaltschaften wurden Sonderdezernate zur Verfolgung häuslicher Gewalt bereits Ende der 90er Jahre, z.B. bei der Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main zum 1. Januar 1998, eingerichtet. Die Erfahrung des Sonderdezernenten ist hilfreich für einen professionellen Umgang mit den Geschädigten, eine effektive Strafverfolgung, aber auch für eine gezielte Weitervermittlung an eine kompetente Hilfeeinrichtung. Sie fördert den persönlichen Kontakt aller beteiligten Stellen (Staatsanwaltschaft, Polizei, Jugendämter, Beratungseinrichtungen, kommunale Arbeitskreise gegen häusliche Gewalt).

Weiterhin gewährt sie die Einhaltung folgender Verfahrensgrundsätze:

– Nach einem Beschluss der Konferenz der Justizminister vom 22./23. November 1994 wird “ in Fällen häuslicher Gewalt das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung aufgrund des Beziehungsgeflechtes zwischen Täter und Opfer in der Regel zu bejahen sein“. Das Verfahren wird also unabhängig von einem Strafantrag durchgeführt, es sei denn, es liegt ein absolutes Antragsdelikt (z.B. Beleidigung, Hausfriedensbruch) oder ohnehin ein Offizialdelikt (z.B. gefährliche Körperverletzung, Nötigung) vor.

– Aufgrund eines oftmals widersprüchlichen Kooperationsverhaltens des Opfers bedarf es schon im Laufe des Ermittlungsverfahrens einer differenzierten Abklärung seiner Situation und Aussagebereitschaft. Dies geschieht durch ein verstärktes Engagement der Polizei, Ladung zur Vernehmung durch den Staatsanwalt bzw. den Amtsanwalt selbst und ggf. Einschaltung der Gerichtshilfe oder sonstiger Hilfeeinrichtungen. Insbesondere wenn das Opfer den Strafantrag schriftlich zurücknimmt, ist es angebracht, die Gründe seines Entschlusses in einem persönlichen Kontakt zu hinterfragen.

Die Verfahren wegen häuslicher Gewalt werden bei den hessischen Staatsanwaltschaften mit dem Verfahrensklassenzusatz: „KAIP“ erfasst. Durch Verfügung des Generalstaatsanwalts vom 19. März 2009 wurde eine einheitliche Definition eingeführt. Danach fallen unter die Erfassung der Verfahren mit dem Zusatz „KAIP“ und damit in die Zuständigkeit der Sonderdezernate sämtliche Ermittlungsverfahren wegen:

1. Körperverletzung (auch gefährliche Körperverletzung)
2. Freiheitsberaubung
3. Nötigung
4. Bedrohung
5. Stalking
6. § 4 Gewaltschutzgesetz

in bestehenden (auch gleichgeschlechtlichen) oder innerhalb der vergangenen zwei Jahren aufgelösten Partnerschaften (Anmerkung: die Polizei zieht keine zeitliche Grenze, sondern verlangt, dass die Straftat noch in direkten Bezug zu der früheren Lebensgemeinschaft steht). Erfasst werden auch Straftaten der genannten Art gegen gemeinsame oder von einem der Partner abstammende Kinder, die in häuslicher Gemeinschaft leben.

Die Strafverfolgungsstatistik der nach KAIP erfassten Delikte stellt sich für 2010 wie folgt dar:

Behörde Eingänge Erledigungen

AA Frankfurt am Main 1.762 1.784
StA Frankfurt am Main 114 105
StA Darmstadt 603 642
StA Offenbach 570 550
StA Fulda 322 321
StA Gießen 747 718
StA Hanau 395 389
StA Kassel 572 587
StA Limburg 281 288
StA Wetzlar 0 1
StA Marburg 306 297
StA Wiesbaden 642 643
Gesamt 6.314 6.325

In sechs von neun Landgerichtsbezirken wurden mit professionellen Fachkräften besetzte Zeugenzimmer eingerichtet, durch die eine psychosoziale Betreuung gewährleistet ist. „Damit wird vermieden, dass das Opfer dem Täter auf den Fluren des Gerichts begegnen muss. Die Zeugen haben vor und nach Ihrer Vernehmung einen ruhigen Schutzraum“, begründet Justizminister Jörg-Uwe Hahn. In den übrigen Landgerichtsbezirken (Darmstadt, Marburg, Fulda) existieren personell nicht besetzte Zeugenzimmer, dort ist eine Betreuung über externe Beratungsstellen möglich.

Weiterhin gibt es an einigen Standorten kindgerechte Video-Vernehmungszimmer. Ein solches wurde zuletzt am 26. April 2011 im Justizzentrum Darmstadt ? finanziert durch die „Hänsel Gretel-Stiftung“- eröffnet.

Eine fachliche und interdisziplinäre Fortbildung der Justiz wird durch die Justizakademie und die Landeskoordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt gewährleistet.

Unterstützung von Opferberatungseinrichtungen
Auf Initiative des Hessischen Ministeriums der Justiz wurden sieben hessische Opferhilfeeinrichtungen in den Landgerichtsbezirken Frankfurt, Gießen, Hanau, Kassel, Limburg, Darmstadt, Wiesbaden gegründet und finanziell unterstützt. Sie gewährleisten eine kompetente Beratung von Opfern einer Straftat und ggf. Weitervermittlung an spezialisierte Beratungsstellen.

In Hessen wird flächendeckend eine Täterberatung durch 31 nicht staatliche Beratungsstellen angeboten, die in einer Broschüre der Landeskoordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt aufgeführt sind. Gerichte und Staatsanwaltschaften können Beschuldigten oder Angeklagten Auflagen oder Weisungen machen, sich dort beraten zu lassen bzw. an Trainingsprogrammen teilzunehmen. Ein Teil der Beratungsstellen wird durch das Land Hessen finanziell gefördert.

Verfahren vor dem Familiengericht wegen Anträgen nach dem Gewaltschutzgesetz
Mit dem Inkrafttreten des FamFG zum 1. September 2009 werden die Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz nunmehr in den Sachgebieten „Familiensachen“, „einstweilige Anordnungen“ und „Lebenspartnerschaften“ als Verfahrensgegenstände ausgewiesen. Die durchschnittliche Personalverwendung von Richtern bei den Amtsgerichten zeigt eine Vermehrung im Bereich der Familiensachen. Diese dürfte auf das Inkrafttreten des FamFG zum 1. September 2009 zurückzuführen sein, indem eine Vielzahl von Zuständigkeitsverschiebungen, nicht nur aufgrund des Gewaltschutzgesetzes, vorgenommen worden sind.

Erkenntnisse und Maßnahmen des Innenministeriums
Seit dem Jahr 2007 werden die Straftaten des Deliktsbereiches Stalking vom Phänomen-Bereich Häusliche Gewalt getrennt erfasst, so dass sich 2010 1.783 Fälle Stalking und 7.764 Fälle häuslicher Gewalt ergaben.

Vor dem Hintergrund dieser Zahlen dürfen wir bei unseren Maßnahmen nicht nachlassen. Aus diesem Grund haben wir den 2. Landesaktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt im häuslichen Bereich beschlossen.

Mit diesem Aktionsplan, der die Maßnahmen des 1. Landesaktionsplanes vom 29.11.2004 fortschreibt, werden die Maßnahmen zum Schutz und zur Hilfe für die Opfer sowie zur Intervention gegen die Täter weiter ausgebaut.

Wesentliche Eckpunkte sind dabei

? der Ausbau von Beratungsangeboten für Männer, die Gewalt ausüben, sowie für Männer, die Opfer von Gewalt werden,

? die Ausdehnung einer bedarfsgerechten Versorgung mit Beratungs-, Hilfe- und Schutzangeboten auf der Grundlage von vereinbarten Bemessungskriterien,

? die Optimierung des proaktiven Ansatzes mit der hessenweiten Einrichtung von Interventionsstellen nach einem einheitlichen Standard,

? die verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, mit dem Ziel die Bürgerinnen und Bürger zu sensibilisieren sowie zu ermuntern, den Opfern Hilfe durch informelle Netzwerke (Familie, Nachbarn, Kollegen, Vereine) anzubieten

Die aktuellen Zahlen zur Häuslichen Gewalt könnten den Anschein erwecken, dass es seit 2002 (4333 Fälle) eine Zunahme insgesamt zu verzeichnen gibt. Der deutliche Anstieg ist jedoch der erhöhten Anzeigebereitschaft sowohl der Opfer selbst als auch der Personen in deren sozialen Umfeld geschuldet. Durch intensive Maßnahmen in den letzten Jahren ist es uns gelungen, Straftaten aus dem Dunkelfeldbereich in das Hellfeld zu überführen.

Dennoch ist das Dunkelfeld vermutlich weiter vorhanden, da eine große Anzahl der Opfer entweder aus Scham und Angst sowie einfach aus Unwissenheit über ihre Rechte schweigen oder von Familienangehörigen unter Druck gesetzt werden und daher in einer Anzeige keine Lösungsmöglichkeiten für sich sehen. Dieses Opferverhalten wird durch die leider noch immer verbreitete gesellschaftliche Auffassung ? die im „Schutzraum“ der häuslichen Sphäre stattfindende Gewalt sei Privatsache -, unterstützt, denn die Täter und auch die unbeteiligten Personen des sozialen Umfeldes sind durch diese gesellschaftliche Meinung nicht gezwungen, für ihre bzw. diese Gewalthandlungen eine Verantwortung zu übernehmen. Minister Boris Rhein vertritt die Auffassung: „Dort, wo Gewalt anfängt, muss jede Toleranz aufhören!“

Die Intervention von Polizei und Justiz wurde durch die Einführung des „Gesetzes zur Verbesserung des zivilrechtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung“, dem „Gewaltschutzgesetz“, unterstützt. Mit diesem Gesetz wird klargestellt, dass Gewalt, ungeachtet des Tatortes und besonders in der Beziehung zwischen ehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, vom Staat und der Gesellschaft nicht geduldet wird.

Häusliche Gewalt ist ebenso zu verfolgen und zu ächten wie Gewalt im öffentlichen Raum. Sie muss in das öffentliche Bewusstsein gerückt und sanktioniert werden. Das konsequente Einschreiten der Polizei und die konsequente Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft sowie die aufklärende Öffentlichkeitsarbeit verschiedenster Institutionen und Behörden unterstützen diesen Aspekt und die damit verbundene Bereitschaft diese Straftaten auch anzuzeigen.

Mit dieser Vorgehensweise wurde bewusst die Kollision des besonderen und oftmals falsch verstandenen Schutzes der Familie gegen staatliche Maßnahmen der Prävention und Repression in Kauf genommen, denn kriminologische Erkenntnisse zeigen, dass Kinder, die Gewalt in der Familie oder im persönlichen Umfeld als Mittel zur Lösung von Konflikten erleben, mit erhöhter Wahrscheinlichkeit später selbst gewalttätig werden oder selbst in die Opferrolle hineinwachsen.

Insbesondere die Opfer, die keine eigene Möglichkeit des Handelns sehen, müssen gestärkt und unterstützt werden, persönliche Handlungsoptionen zu erkennen und anzuwenden.

Umfangreiche Präventionsprogramme der hessischen Landesregierung greifen diese Erkenntnis auf und versuchen Wege aufzuzeigen, anderen zu helfen, ohne selbst dabei Opfer einer Straftat zu werden.

Speziell für das Phänomen wurden runde Tische ins Leben gerufen. Im Rahmen dieser runden Tische arbeiten alle Institutionen und Behörden zusammen, die mit dem Phänomen „Häusliche Gewalt“ Berührungspunkte haben. So ist eine unmittelbare Abstimmung der Programme zur Sensibilisierung der Bevölkerung möglich.

Polizei hat weichenstellende Rolle bei Vermittlung der Opferrechte

Weiterhin leistet die Polizei in ihrer täglichen Arbeit einen wesentlichen Beitrag zum Opferschutz und zur Opferhilfe. Aufgrund der Tatsache, dass das Opfer in der Regel zuerst Kontakt mit der Polizei hat, nimmt die Polizei eine entscheidende, oft weichenstellende Rolle bei der Vermittlung der Opferrechte ein. Sie informiert beispielsweise mit der Aushändigung des „Merkblattes über Rechte von Verletzten und Geschädigten im Strafverfahren“ vor der Vernehmung die Opfer über ihre Rechte.

Mit dem Formblatt „Opfermeldung Versorgungsamt“ wird Opfern, die nach einer Straftat mit physischen bzw. psychischen Verletzungen möglicherweise Anspruch auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz haben, der Gang durch den Zuständigkeitsdschungel der Ämter erspart. Mit der Unterschrift der Opfer auf dem Formblatt werden die Daten von der Polizei an das Versorgungamt weitergemeldet, das von sich aus Kontakt mit dem Opfer aufnimmt und den Anspruch auf Leistungen prüft. Ähnlich gestaltet sich die Verfahrensweise bei den Delikten der Häuslichen Gewalt. Die jeweiligen Opfer werden bereits von den eingesetzten Polizeibeamtinnen und ?beamten proaktiv auf mögliche örtliche Beratungsangebote hingewiesen und nach Weitergabe ihrer Einwilligung direkt von den Beratungsstellen angesprochen.

Neben der Aufnahme dieser Thematik in der Aus- und Fortbildung der Hessischen Polizei werden die Polizeibeamtinnen und ?beamten auch über den Leitfaden „Umgang mit Kriminalitätsopfern und ?zeugen“ sowie den „Polizeilichen Handlungsleitlinien zur Bekämpfung häuslicher Gewalt“ und deren Checklisten für den Umgang mit Opfern sensibilisiert.

Opferschutz und Opferhilfe ist ein wesentliches Anliegen der hessischen Landesregierung. Aus diesem Grund hat sie diese zu einem wichtigen Baustein der Präventionsoffensive Hessen gemacht.

Neben verschiedenen konkreten Präventionsprojekten und der Schaffung und Stärkung der Präventionsdienststellen in den Polizeipräsidien wurden auch mehrere Maßnahmen zur Verbesserung des Opferschutzes umgesetzt:

– Einrichtung einer Landesopferschutzbeauftragten beim HLKA mit landesweiten Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben,
– Einrichtung von Opferschutzbeauftragten in den Polizeipräsidien,
– Einrichtung von Opferschutzkoordinatoren in allen Polizeidirektionen zur Unterstützung des Opferschutzbeauftragten und der polizeilichen Basis.

Die Opferschutzbeauftragten sind Ansprechpartner für alle Fragen des polizeilichen Opferschutzes in der jeweiligen Behörde und koordinieren die Umsetzung des Opferschutzes zur polizeilichen Basis. Darüber hinaus unterstützen und beraten sie die polizeilichen Sachbearbeiter in konkreten Fällen des Opferschutzes.

Opferschutz und Gewaltprävention können jedoch nicht allein von der Polizei bewältigt werden. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Aus diesem Grund hat die Landesregierung bereits Ende 2002 zur Stärkung der ressortübergreifenden Gewaltprävention das „Netzwerk gegen Gewalt“ gegründet. Hierdurch wird die Kooperation aller in der Gewaltprävention tätigen Behörden und Institutionen intensiviert und Prävention, insbesondere auch auf kommunaler Ebene, als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden und gefördert. Hierzu wurde beim Innenministerium eine gemeinsame Geschäftsstelle des Hessischen Kultusministeriums und des Hessischen Innenministeriums eingerichtet.

Kontakt:
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