Christa Wolf ist tot, aber gestorben ist sie
nicht. Denn solange wir ihre Bücher wieder und wieder in die Hand
nehmen, ihren Gedanken folgen, uns mit ihr streiten und bewundern,
wie genau sie beobachtete, ist sie bei uns. Das ist der Vorteil, den
Künstler haben, die ein bleibendes Werk schaffen. So eine ist Christa
Wolf. Und hätte sie nur „Kassandra“ geschrieben. Das Buch erschien
1983, in einer Zeit der Aufrüstung, der immer unerträglicher
werdenden geistigen Enge in der DDR. Kassandra, die Außenseiterin,
die mit ihren seherischen Fähigkeiten ahnt, wie alles enden wird, und
doch nichts tun kann gegen den Lauf der Dinge. Das Buch war eine
Parabel und die Leser haben verstanden, dass es weniger um Troja
ging, als darum, sich über den eigenen Platz in der Gesellschaft
bewusst zu werden und kritisches Hinterfragen angebracht ist. Das war
zu Kassandras Zeiten so und hat sich nicht geändert. Für diesen
analytischen Verstand, der zudem in großer Literatur mündete, wurde
Christa Wolf verehrt. Der nach der Wende erhobene Vorwurf, zu stark
involviert gewesen zu sein in das politische System der DDR, traf sie
hart. Sie liebte das Land, aber dem Sozialismus, wie das
SED-Politbüro ihn verstand, stand sie kritisch gegenüber – schon mit
dem „Geteilten Himmel“. Verbandelt war sie mit ihren Lesern, die ihr
dankbar sind für manchen Stupser zur Förderung des Denkvermögens. Das
bleibt.
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