Es mag eine Geschmacksfrage sein, ob man die
Bilder von dem 91-jährigen John Demjanjuk im Gerichtssaal als
Genugtuung empfindet oder als notwendiges Übel. Keinen Zweifel kann
es dagegen daran geben, dass der alte Mann genau dort hingehörte: auf
die Anklagebank beziehungsweise das Anklagebett. Ob er dort den
Schwerkranken gemimt hat oder ihm tatsächlich die Kräfte schwinden,
ist dabei zweitrangig. Demjanjuk war prozessfähig. Der Vorwurf der
Beihilfe zu einem Menschheitsverbrechen wiegt allemal schwer genug,
um das unschöne Verfahren zu rechtfertigen. Denn der Schuldspruch
weist über die Frage der richtigen Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen
hinaus. Das Signal geht an alle Tyrannen und ihre Helfershelfer,
mögen sie Gaddafi, Lukaschenko oder eben Demjanjuk heißen: Der Arm
von Recht und Gesetz reicht in Zeit und Raum weit, lautet die
Botschaft, die von München ausgeht. Entscheidend aber ist das faire
Verfahren an sich. Um dies zu ermöglichen, darf und muss man einem
Schwerverbrecher sogar ein Bett in den Gerichtssaal schieben. Kein
Ruhmesblatt für die Juristenzunft hat dagegen Demjanjuks Verteidiger
Ulrich Busch abgegeben. Den Ukrainer zu einem Sündenbock für
Verfehlungen der deutschen Nachkriegsgesellschaft bei der Verfolgung
der Nazi-Bosse aufwerten zu wollen, ist billig. Solche Versäumnisse
gab es durchaus. Aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Im
Übrigen wird man es einer vom Weltkriegstrauma erschütterten Nation
zu gestehen dürfen, dass sie im Laufe der Jahrzehnte hinzulernt.
Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau
Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de