Für die Bundeskanzlerin kommt es knüppeldick.
Wahlniederlagen in Serie, und nun droht auch noch ihre wohl engste
Kabinettsvertraute Annette Schavan auf der Strecke zu bleiben. Es
wird einsam um die Regierungschefin. Man kann trefflich darüber
streiten, ob die universitäts-offizielle Aberkennung des Doktortitels
für Schavan gerechtfertigt oder doch arg überzogen ist. Was für
Merkel zählt, ist die politische Dimension: Der Vorgang um Schavan
ist ein weiterer Baustein für den Niedergang der schwarz-gelben
Koalition. Nach Karl-Theodor zu Guttenberg steht nun schon das zweite
Kabinettsmitglied am Pranger, weil es im wissenschaftlichen Betrieb
geschummelt hat. Und das ausgerechnet bei einem Regierungsbündnis,
das vorgibt, bürgerliche Werte hochzuhalten und sich der
Leistungsgesellschaft verpflichtet zu fühlen. Die schwarz-gelbe
Glaubwürdigkeit auf diesen Feldern ist nun wohl endgültig dahin.
Merkels Ziehvater Helmut Kohl pflegte alles Übel der Welt einfach
auszusitzen. Das würde sein „Mädchen“ vermutlich auch liebend gern
tun. Aber so viel Sitzfleisch, wie in diesem Kabinett nötig ist, gibt
es nicht. Außerdem steht eine Bundestagswahl ins Haus. Da zählen auch
die Treffer der Opposition stärker als sonst. SPD, Grüne und Linke
schießen gegen Schavan aus allen Rohren. Die Frage ist nicht, wie
lange die Ministerin das aushält. Die Frage ist, wie lange Merkel
diesem Treiben zuschauen kann und will. Es ist das gute Recht von
Annette Schavan, gegen ihre Titel-Aberkennung juristische Schritte
einzuleiten. Doch das ist letztlich eine private Angelegenheit. Um in
ein Ministeramt zu kommen, ist der Doktor nicht nötig, um Ministerin
zu bleiben, aber sehr wohl. Auch ein schwebendes Verfahren, eine
juristische Prüfung des Doktor-Verlustes, kann daran praktisch nichts
ändern. Denn in der Politik gelten andere Maßstäbe. Das hatte Schavan
schon bei der Causa Guttenberg freimütig bekannt. Nun muss sie sich
selbst daran messen lassen. Immerhin vier Kabinettsumbildungen hat
Schwarz-Gelb seit der Regierungsübernahme im Herbst 2009 schon hinter
sich. Die letzte davon war die spektakulärste: Anders als bei Franz
Josef Jung oder zu Guttenberg musste Merkel ihren einstigen Liebling
Norbert Röttgen regelrecht rausschmeißen, denn der glücklose
Umweltminister wollte nicht weichen. Bei Schavan ist ein solches
Schauspiel wohl kaum zu erwarten, zumal die Ministerin weiß, was sich
politisch gehört. Vieles dürfte vom weiteren Verlauf der politischen
Debatte abhängen. Wenn Merkel jedoch zu der Erkenntnis gelangt, dass
ihre enge Vertraute nur noch eine Belastung ist, wird sie die
Notbremse ziehen. Natürlich einvernehmlich mit ihrer langjährigen
Vertrauten. Eine endlose Rücktrittsdebatte im Wahljahr kann sich
Schwarz-Gelb jedenfalls nicht erlauben.
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