Fast immer hat die FDP in Deutschland mitregiert,
noch nie war sie seit der Gründung der Bundesrepublik nicht im
Bundestag. Sie ist, was der HSV für die Fußball-Bundesliga ist:
Urgestein. Mitunter folgt im Fußball aber bei einem Abstieg der
totale Zerfall eines Vereins, wie traditionsreich er auch sein mag.
Dieses Schicksal droht den Liberalen. Für die FDP geht es 2013 um
die nackte Existenz. Schafft sie es im Herbst nicht in den Bundestag,
dann sind all die ach so wichtigen Bundesprominenten, von Brüderle
bis Westerwelle, von Bahr bis Rösler, sofort nur noch Ex-Politiker.
Die Partei wird rasant Mitglieder verlieren, und einige der
verbliebenen Kader werden der Verführung des anti-europäischen
Populismus erliegen, etwa mit einer anti-europäischen Kampagne. Dann
könnte diese historisch so bedeutsame Kraft schnell ins Sektierertum
abrutschen. Und die CDU Angela Merkels hätte auf Jahre, vielleicht
Jahrzehnte keinen bürgerlichen Koalitionspartner mehr. Es wirkt
nicht so, als würden die führenden Köpfe der Liberalen die
existenzielle Bedrohung auch nur ahnen. Im Gegenteil, der Fisch
stinkt ganz eindeutig vom Kopfe her. Im Vorfeld des traditionellen
Dreikönigstreffens und am Sonntag bei der Veranstaltung in Stuttgart
selbst ist das überdeutlich geworden. Hinter den Kulissen und
teilweise sogar schon auf offener Bühne wird in der Führung
gegeneinander intrigiert, als gäbe es mehrere liberale Parteien,
sodass man eine locker mal verzocken kann. In ihrer
selbstzerstörerischen Leichtfertigkeit unterscheiden sie sich alle
nicht sehr voneinander, ob Niebel, Rösler, Kubicki oder Brüderle. Die
Partei der Individualisten findet an ihrer Spitze keinen Gemeinsinn
mehr. Auch weil ihr der gemeinsame Kurs fehlt. Sie ähnelt zunehmend
den US-Republikanern, die nur noch wissen, dass sie Obama hassen,
keine Steuern zahlen wollen und jede Verantwortung für das Gesamte
fahren lassen. Es war ein schleichender Prozess, der mit Guido
Westerwelle begann. In den Oppositionsjahren hat sich die FDP
einseitig dem Neoliberalismus, den freien Finanzmärkten und der
Steuersenkung zugunsten der Besserverdienenden verschrieben. Das
Symbol dafür ist die in der Regierungszeit sogleich beschlossene
Steuerermäßigung für Hoteliers, gepaart mit einer Großspende von
Mövenpick. Eine solche Politik passt nicht mehr in die Zeit, sie hat
im Lichte der Finanzmarktkrisen betrachtet noch nie in die Zeit
gepasst. Doch Philipp Rösler lernt daraus nicht, sondern wechselt die
Linien und Losungen fast nach Belieben und ergeht sich in hilflosen,
manchmal pubertären Profilierungsversuchen gegen die Kanzlerin und
ihre CDU. Man kann Rösler austauschen, wie man Westerwelle vor zwei
Jahren austauschte. Aber was ist damit gewonnen? Die FDP braucht
zuerst eine seriöse inhaltliche Strategiedebatte, ehe sie sich eine
neue seriöse Führung sucht. Sie muss wieder bürgerlich werden.
Unternehmerfreundlich, aber mit Herz. Marktwirtschaftlich, aber nicht
libertär. Den Bürgerrechten verpflichtet, aber nicht blind für
Gefahren. Leistungsorientiert, aber mitfühlend. Nach der
Niedersachsen-Wahl, egal wie sie ausgeht, müssen die Liberalen
schnellstmöglich mit dieser Arbeit der Neubesinnung beginnen, mit
oder ohne Rösler. Sie werden einwenden, dass ein Bundestagswahljahr
dafür ein denkbar schlechter Rahmen sei. Das stimmt. Aber danach
könnte es zu spät sein.
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