Jörg Schönbohm, der CDU-General, war ein kantiger,
streitbarer Politiker. Seinen Nachfolgern Ulrich Junghanns und
Johanna Wanka muss Verlässlichkeit in der Großen Koalition mit der
SPD attestiert werden. Seit die Brandenburger Christdemokraten nach
zehn Jahren Regierungsverantwortung bei der Landtagswahl im Herbst
2009 in die Opposition gedrängt wurden, scheinen sie die einst
mitgetragenen Entscheidungen über Bord geworfen zu haben. Noch
schlimmer: Für Saskia Ludwig hat die SPD unter Manfred Stolpe und
Matthias Platzeck offenbar zwei Jahrzehnte lang völlig allein
regiert. Wie sonst ist zu erklären, dass sich die neue
CDU-Landeschefin nach der Abkehr vom Ausbau der Windkraft nun auch zu
einer 180-Grad-Wende beim Flughafen Berlin Brandenburg in Schönefeld
hinreißen lässt? Einst haben CDU-Politiker diese strategischen
Entscheidungen für Brandenburg mit befördert und unterstützt. Im
Falle des Schönefeld-Airports sogar diktiert. Denn der in den ersten
Standortprüfungen in den 1990er-Jahren klar favorisierte einstige
russische Fliegerhorst in Sperenberg ist unter die Räder des
damaligen Bundesverkehrsministers Matthias Wissmann und des
ehemaligen Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Eberhard Diepgen
(beide CDU), geraten. Standortprüfungen hin und her – für sie war das
Berlin-nahe Schönefeld immer der Favorit. Wenn Ludwig heute die ganz
scharfe Oppositionsklinge führt und von Stolpe ein klares Nein zu
diesem Standort erwartet hätte, dann darf gefragt werden, warum das
Nein der Christdemokraten zum BBI in der Großen Koalition nicht zu
hören war. Offensichtlich deshalb, weil das größte
Infrastrukturprojekt in Berlin-Brandenburg als Wachstums- und
Jobmotor kaum zu übertreffen ist. Anvisierte 40 000 neue
Arbeitsplätze gelten inzwischen als Untergrenze. Dem starken
Wirtschaftsflügel ihrer Partei wird Ludwig erklären müssen, warum all
das mit einer neuerlichen Standortdebatte am fast startbereiten
Flughafen aufs Spiel gesetzt werden soll. Um nicht falsch verstanden
zu werden: Flugrouten zu optimieren, um maximalen Lärmschutz zu
gewährleisten – ist das Eine. Ein Milliarden-Projekt kurz vor dem
Finale infrage zu stellen, das Andere. Letzteres wäre Schönbohm,
Junghanns oder Wanka wohl im Traum nicht eingefallen.
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