Der Vorsitzende der Agrarministerkonferenz,
Thüringens Landwirtschaftsminister Jürgen Reinholz (CDU), hat
angesichts des jüngsten Dioxin-Skandals eine Verdreifachung des
Strafmaßes für Verstöße gegen die geltenden Regelungen bei den
Futtermitteln angeregt. Die von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse
Aigner (CSU) geforderte stärkere Mitwirkung des Bundes bei der
Kontrolle stieß bei Reinholz aber auf wenig Gegenliebe.
Gegenüber der „Leipziger Volkszeitung“ (Dienstag-Ausgabe) sagte
Reinholz: „Die Länder sind schon in der Lage, die notwendigen
Kontrollen selbst durchzuführen.“ Man werde sich aber bei der
heutigen (Dienstag) Krisenkonferenz der Landes- und Bundesminister
die Vorschläge von Frau Aigner „gerne anhören, auch wenn ich mir
nicht vorstellen kann, was sie konkret meinen könnte“, sagte
Reinholz. Zum Strafrahmen bei Verstößen gegen die Regelungen für
Futtermittelhersteller meinte der Minister: „Die Strafen müssen
deutlich erhöht werden – drei Jahre oder ein paar tausend Euro sind
keine echte Abschreckung. Eine Verdreifachung des möglichen
Strafrahmens wäre vielleicht abschreckend genug.“
Neueste interne Prüfberichte der Agrarverantwortlichen in den
Regierungen von Niedersachsen und des Bundes ergeben inzwischen, nach
Informationen der Zeitung, ein wenig vertrauenerweckendes Verhalten
der Landesbehörden im jüngsten Dioxin-Skandal.
Über Tage hinweg haben offenbar Experten des niedersächsischen
Landwirtschaftsministeriums und Kontrollexperten des Landes dem Bund
zusätzliche Erkenntnisse im laufenden Dioxin-Skandal vorenthalten.
Das ergibt sich, nach dem Bericht der „Leipziger Volkszeitung“, aus
einem internen Ablaufbericht des Agrarministeriums in Hannover und
aus einer Kundeninformation der Landwirtschaftlichen
Bezugsgenossenschaft Damme (LBD).
Bei der LBD waren Ende des Jahres mehrere Zulieferungen der Fett-
und Dioxinpanscher der Firma Harles und Jensch gelandet. Rein
rechnerisch sei zunächst „eine Dioxin-Grenzwert-Überschreitung in
unseren Mischfutterprodukten“ ausgeschlossen gewesen, teilt die LBD
schriftlich mit. Unter Hinweis auf die vergangene Woche heißt es dann
aber weiter: „Zu Beginn dieser Kalenderwoche wurden uns dann
allerdings Analyseergebnisse zugestellt, die diese Aussage nur noch
bedingt zulassen. Diese Ergebnisse haben wir pflichtgemäß sofort der
zuständigen Behörde mitgeteilt.“ Dioxin-verseuchte
Tierfutter-Bestandteile sind danach „Ende November 2010“ weiter
verarbeitet worden.
Zehn Tage lang, mindestens, dürften als Folge davon verseuchte
Lebensmittel in Umlauf gekommen sein, wurde der Zeitung aus
Behördenkreisen bestätigt. Am vergangenen Donnerstag erreichten das
Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und
Lebensmittelsicherheit (LAVES), nach einem vorliegenden internen
Bericht des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums, die
Betriebslisten zum jüngsten Dioxin-Skandal. „Im um 17.00 Uhr
vorliegendem Ergebnis wurden die oben dargestellten Zahlen der zu
sperrenden Betriebe in Niedersachsen und in anderen Ländern
festgestellt“, so der Ministeriumsbericht. Am 13. Januar war bereits
konkret von 571 neu zu sperrenden Höfen im Land die Rede. „Alle
Länder“, die betroffen waren, „sind am Abend des 14. Januar 2011
…informiert worden, um die notwendigen Maßnahmen treffen zu
können“, hält das Ministerium ergänzend fest. Offiziell eingeräumt
wird dann, dass die am Freitag, 14. Januar, ab Nachmittag sich in
Niedersachsen wegen des Dioxin-Skandals aufhaltende Bundesministerin
Ilse Aigner (CSU), amtlich vergessen wurde. „Das Bundesministerium
wurde am Morgen des 15. Januar 2011 über den Vorgang und die
Zusammenhänge informiert.“
Noch in der Samstagabend-Tagesschau vom 15. Januar sagte
Agrarstaatssekretär Friedrich-Otto Ripke allerdings: „Wir haben
gestern Abend das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz noch informiert – telefonisch.“ Den Sachstand über
die akute Dioxin-Bedrohung aus Damme habe er erst erfahren, „nachdem
Frau Aigner uns verlassen hat“. Die „Information“ des
Bundesministeriums durch das niedersächsische
Landwirtschaftsministerium entpuppte sich mittlerweile als ein
Kurzanruf eines Abteilungsleiters bei seinem Bundes-Kollegen auf der
Mobilbox und beschränkte sich auf die Mitteilung, man möge doch bitte
zurückrufen. Dies sei um 00.30 Uhr versucht worden – dann allerdings
ohne Ergebnis.
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