Was sind wir doch geschimpft worden, als wir an
dieser Stelle noch vor wenigen Monaten den fabelhaften Freiherrn vom
Feldherrnhügel kritisiert haben: Ohne Not war Verteidigungsminister
Karl Theodor zu Guttenberg vom bewährten System der Wehrpflicht
abgerückt, ohne schlüssige Antworten auf die Frage geben zu können,
wie viele Freiwillige die Truppe angesichts ihrer mageren Anreize
gewinnen kann. Nur völlig schwammige Antworten gab es auf die Frage,
wer die mit der Wehrpflicht wegfallenden Zivildienstleistenden
ersetzen solle. Gleichzeitig beugte sich zu Guttenberg dem
gnadenlosen Spardiktat von Finanzminister Wolfgang Schäuble,
versäumte es aber, klar den Auftrag einer verkleinerten Armee zu
definieren. Schließlich versprach er, seinem Nachfolger ein
geordnetes Haus zu übergeben, aber de Maizière, Spross des einstigen
Bundeswehr-Generalinspekteurs Ulrich de Maizière, fand, gelinde
gesagt, nur eine unaufgeräumte Baustelle vor. Mit Kapos in viel zu
großen Führungsstäben, die eifrig auf den eigenen Machterhalt bedacht
waren und darüber das große Ganze aus den Augen verloren. Nach
überschwänglichen Schlagzeilen, besonders in der Bild-Zeitung, wagte
es auch in Bayern keiner der CSU-Granden, Kritik an den flotten und
in vielen Fällen wohl unüberlegten Führungsentscheidungen des
blaublütigen Verteidigungsministers und massiv überschätzten
Polit-Stars zu üben. Umso mehr wundert es heute, dass Horst Seehofer
und sein Innenminister Joachim Herrmann jetzt so tun, als wären sie
aus einem Traum aufgewacht: Plötzlich stellen sie fest, dass
Guttenbergs Reformpläne den Freistaat Bayern massiv treffen werden:
Zahlreiche Garnisonen und Kreiswehrersatzämter stehen vor dem Aus,
auch die in Bayern traditionell starke Rüstungsindustrie wird massiv
betroffen sein. Angeblich, so sagte Seehofer, sei ihm das ganze
Ausmaß der Probleme erst bei einem Gespräch mit Verteidigungsminister
Thomas de Maizière bewusst geworden. Hat Seehofer bei Gesprächen mit
Guttenberg geschlafen oder hat dieser seine Reformbemühungen
geschickt schön geredet? Verteidigungsminister de Maizière hat
gestern seine Vorstellungen von der zukünftigen Bundeswehr skizziert.
Wie erwartet, blieben die ganz großen Überraschungen aus, aber
alleine schon die kühle Unaufgeregtheit des preußischen Beamten, der
zuerst denkt und dann redet, hat auch die kritische Opposition
beeindruckt. De Maizières Analyse, in schöne Sätze verpackt, ist
klar: Auftrag und Ausrüstung der Bundeswehr passen nicht mit dem
gegebenen Finanzrahmen zusammen. Beides muss in einer strukturiert
geplanten großen Reform in Übereinstimmung gebracht werden. Dazu
gehört die Verkleinerung auf etwa 170 000 Soldaten, die Reduzierung
der Zahl der freiwillig Wehrdienstleistenden auf 5000 (woraus
realistischerweise nur 2000 werden), die Straffung des
Führungs-Wasserkopfes mit mehr Häuptlingen als Indianern und eine
ausgewogene Balance aus internationalen Einsatzaufgaben und dem
Dienst in der Heimat. De Maizière ist kein Überflieger wie zu
Guttenberg, sondern eher ein „Wehrhandwerker“, wie er schon genannt
wurde. Aber seine Arbeit der vergangenen Wochen erinnert an den
ehemaligen Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg, der
Anfang der 1990er Jahre die Bundeswehr nach der Integration der
Nationalen Volksarmee komplett umbaute. Stoltenberg arbeitete
zuverlässig und erfolgreich – de Maizière könnte an die Zeit dieses
bewährten Verteidigungspolitikers anknüpfen.
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