Der Versuch von Bundespräsident Christian
Wulff, eine geplante Veröffentlichung in der „Bild“-Zeitung bezüglich
seines Privatkredits zu verhindern, ist ein spektakuläres, öffentlich
gewordenes Beispiel, welchen Gefahren die in Artikel 5 des deutschen
Grundgesetzes garantieret Pressefreiheit tagtäglich ausgesetzt ist.
Vertreter aus allen gesellschaftlichen Bereichen versuchen permanent,
in deutschen Redaktionen Veröffentlichungen zu verhindern. Ein
Dauerskandal gewissermaßen, urteilte doch das
Bundesverfassungsgericht schon in den ersten Jahren seines Bestehens,
die Pressefreiheit sei der Schlüssel zur Durchsetzung einer
freiheitlich-demokratischen Grundordnung und gleichsam die Garantie
für alle anderen Freiheitsrechte. Auch in der Europäischen
Menschenrechtskonvention oder in der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte der Vereinten Nationen ist die Pressefreiheit als Teil
der Meinungsfreiheit verankert. Was also treibt einen
Bundespräsidenten dazu, dieses überragende Grundrecht seines Volkes
aushebeln zu wollen? Der erste Mann im Staat ist schlicht und einfach
genauso gepolt wie all die anderen aus Politik, Wirtschaft, Sport und
Kultur, die die Pressefreiheit stets einseitig auslegen. Versprechen
Veröffentlichungen irgendwelche Vorteile, werden sie gern
hingenommen. Fällt aber dadurch ein Schatten auf das eigene Tun,
werden Journalisten, verantwortliche Redakteure oder gar Verlagschefs
und Intendanten teils unter Androhung von Konsequenzen bedrängt, von
Beiträgen abzusehen. Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Die
Persönlichkeitsrechte sind zu berücksichtigen, niemand darf
leichtfertig an den Pranger gestellt werden und natürlich werden auch
in Redaktionen Fehler gemacht. Aber wenn Mandatsträger erpressbar
oder zumindest beeinflussbar werden, sich jemand auf Kosten der
Allgemeinheit Vorteile verschafft, Organe des Staates verbrecherisch
agieren oder in öffentlichen Verwaltungen Entscheidungen nach
Gutdünken getroffen werden, dann ist die Gesellschaft auf die Presse
angewiesen. Und die hat es nicht immer leicht. So sind nach allen
Pressegesetzen der Bundesländer die Behörden verpflichtet, den
Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe
dienenden Auskünfte zu erteilen. In Wirklichkeit aber wird nicht
selten gemauert, ausgewichen oder auf Nichtzuständigkeit verwiesen.
Pressestellen verwandeln sich in Desinformationsbetriebe und
Pressesprecher(innen) zu Jongleuren des inhaltslosen Worts. Gott sei
Dank entscheidet sich die überwältigende Mehrheit der Verleger in
Deutschland im Zweifel für die Pressefreiheit und verteidigt die
Unabhängigkeit ihrer Redaktionen. Denn die Drohungen vor und nach
missliebiger Berichterstattung richten sich häufig gegen die
wirtschaftliche Situation der Medienhäuser. Die Zahl der
Unterlassungsansprüche und Klagen gegen Presseberichte in allen
Medien nimmt rasant zu, meist mit dem Ziel, die Entscheider dort
dauerhaft einzuschüchtern. Dass es der Job der Pressevertreter ist,
kritisch nachzufragen, wird nicht mehr respektiert. Wie in jeder
Zunft gibt es auch unter Journalisten schwarze Schafe, die ihre
vermeintliche Macht missbrauchen oder sich illegal Informationen
verschaffen. Dennoch kann dies kein Grund sein, der Presse
grundsätzlich misstrauisch zu begegnen. Denn dann werfen wir den
eingangs erwähnten Schlüssel zur Durchsetzung unserer Grundordnung
weg. Der Bundespräsident mag jetzt selbst entscheiden, ob er mit dem
Makel, den ihm sein Vorstoß gegen ein Grundrecht eingebracht hat,
weiter sein Amt ausführen will.
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