Mittelbayerische Zeitung: Eine Finte mit Folgen Nach der Betreuungsgeld-Panne steht Schwarz-Gelb blamiert da. Doch es gibt einen weiteren Verlierer.

Es liegt wahrlich kein Segen über dem
Betreuungsgeld. Eigentlich sollte das politische Prestigeprojekt der
CSU gestern auf seinen Weg durch den Bundestag gebracht werden. Doch
Pustekuchen, mit einer Finte gelang es der Opposition, den
vorgegebenen Marsch durch die oberste Volksvertretung erst einmal zu
durchkreuzen. Undemokratisches Verhalten oder gar ein Missbrauch von
Parlamentsrechten, wie von schwarz-gelber Seite gezetert wird, lagen
in diesem Fall nicht vor. Vielmehr haben die beiden
Regierungskoalitionäre die einfache Wahrheit missachtet, wer ein
Gesetz durch den Bundestag bringen will, muss auch für die nötige
Mehrheit sorgen. Zu jeder Zeit. Der Winkelzug von SPD, Grünen und
Linken ging offenbar nur auf, weil auch so manchem
Betreuungsgeld-Kritiker bei Schwarz-Gelb die Aktion gar nicht unrecht
war. Stummer Protest durch Nichterscheinen. Die Koalition sollte nun
nicht den Fehler begehen, das weithin ungeliebte Betreuungsgeld –
einst von der CSU selbst Herdprämie getauft – auf Teufel komm raus
noch vor der Sommerpause durchdrücken zu wollen. Die Furcht in der
Union, ein solches Streitthema über die nachrichtenarme Sommerpause
schleppen zu müssen, mag ja verständlich sein. Besser wird die
Sozialleistung für die Nicht-Kita-Benutzung von Ein- bis Dreijährigen
keinesfalls. Das ist wie bei offenem Bier, das im Glas langsam schal
wird. Doch keine Sorge, es könnte durchaus sein, dass größere Themen,
wie die Euro-Schuldenkrise, die Rettung von Schuldenländern, ein
möglicher Austritt oder Ausschluss Athens aus der Euro-Zone und
andere Krisenthemen den vergleichsweise kleinen Streit um ein
Betreuungsgeld überlagern. Eine große Peinlichkeit für Schwarz-Gelb
ist die Nummer bereits jetzt schon. Sie wirft zudem ein Schlaglicht
auf drei ermattete Koalitionspartner, die nur noch der pure
Machterhalt zusammenschweißt. Wegweisende Zukunftsprojekte sind von
Schwarz-Gelb bis zum Herbst 2013 ohnehin nicht mehr zu erwarten. Es
wäre schon toll, wenn sich die Partner des zerrütteten bürgerlichen
Dreierbündnisses nicht noch weiter fetzten. Um Datenspeicherung,
Euro-Rettung, Finanzmarktsteuer und so weiter. Freilich war auch die
Opposition nicht der strahlende Sieger des Parlaments-Scharmützels.
Bei den Sozialdemokraten scheint man glatt vergessen zu haben, dass
2007 der einstige Parteichef Kurt Beck war, der mit dem einstigen
CSU-Chef Edmund Stoiber das Betreuungsgeld vereinbart hatte. Das
jetzige Zetern gegen den Familienzuschuss erscheint insofern auch
etwas scheinheilig und geschichtsvergessen. Der Eklat um das
Betreuungsgeld hatte in Wirklichkeit überhaupt keinen Sieger. Dafür
aber einen großen Verlierer: Das Vertrauen in die Politik insgesamt.
Bekommt jemand von den politischen Akteuren überhaupt noch mit, wie
abstoßend solche Spielchen selbst auf die geneigten Betrachter
wirken. Weder haben die Christsozialen die Kraft, ein fragwürdiges
Sozialprojekt, das von einer Mehrheit der Wählerinnen und Wähler
abgelehnt wird, zu den Akten zu legen. Noch hat die Opposition die
Größe, die Mehrheit im Parlament gewähren zu lassen. Sollte es 2013
wirklich zu einem Regierungswechsel kommen, werden die Karten ohnehin
neu gemischt. Das gilt auch für das Betreuungsgeld.

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