Von dieser Regierung geht kein Zauber, kein
Signal, keine Außenwirkung auf die übrige Republik aus. Heute vor
einem Jahr trat die rot-grüne Minderheitsregierung in Düsseldorf ihr
Amt an. Im nordrhein-westfälischen Landtag fehlt Ministerpräsidentin
Hannelore Kraft (SPD) und ihrer Stellvertreterin Sylvia Löhrmann
(Grüne) ein Sitz zur absoluten Mehrheit. Nur wenn die Linkspartei
sich bei Abstimmungen enthält, kann die rot-grüne Regierung ihre
Politik durchsetzen. Noch dazu muss sie Rücksicht auf das
Landesverfassungsgericht nehmen, das die Schuldenpolitik bereits
einmal heftig gerügt hat. Stabilität sieht anders aus und deshalb
sind manche politischen Beobachter erstaunt, dass Kraft es überhaupt
geschafft hat, sich ein Jahr im Amt zu halten oder negativ gesagt
durchzuwursteln. Einig ist man sich aber in einem anderen Punkt: Als
Modell für andere Länder, gar für die Bundesregierung taugt eine
solche wacklige Konstruktion sicher nicht. NRW, das bevölkerungsmäßig
und wirtschaftlich wichtigste Bundesland, wirkt auch mit Kraft
politisch zur Zeit ziemlich kraftlos. Da war die Republik in den
vergangenen Jahrzehnten aus Nordrhein-Westfalen anderes gewohnt. An
Rhein und Ruhr wurde die sozial-liberale Koalition in den 60er-Jahren
vorgedacht. 1995 wurde Rot-Grün im Westen zum Vorbild für die spätere
rot-grüne Bundesregierung. Als 2005 die SPD nach fast 40 Jahren von
der CDU von der Regierungsmacht verdrängt wurde, war das auch der
Anfang vom Ende der Regierung Schröder. Als 2010 die CDU die Macht
gleich wieder verlor, erschütterte das die schwarz-gelbe Koalition in
Berlin. Die SPD verband mit der Wiedergewinnung der Regierungsgewalt
in NRW große Hoffnungen. Zwar fuhr sie bei der Wahl 2010 mit nur 34,5
Prozent der Stimmen ihr schlechtestes Wahlergebnis seit über 50
Jahren ein, doch was zählte war zunächst die Ablösung der
schwarz-gelben Landesregierung. Die Region an Rhein und Ruhr sollte
wieder zur Herzkammer der sozialdemokratischen Partei werden. Doch
nach einem Jahr muss die SPD resigniert feststellen: Daraus ist
nichts geworden. Zwar ist es der in NRW sehr beliebten Kraft
gelungen, einige Wahlversprechen umzusetzen. Unter anderem wurden die
Studiengebühren abgeschafft und die Hilfen für die Kommunen
verstärkt. Doch die Wähler honorieren das der SPD in Umfragen nicht.
Noch dazu verfügt die Partei neben Kraft über keine zugkräftigen
Minister und Landespolitiker. Die Chefin selbst muss sich daher immer
wieder in die Bresche werfen und zum Beispiel nach der Energiewende
darauf hinweisen, dass das Industrieland NRW auf bezahlbaren Strom –
auch aus der heimischen Braunkohle – dringend angewiesen ist. Der
grüne Koalitionspartner wird das sicher nicht gerne gehört haben.
Umfragen prophezeien der rot-grünen Landesregierung im Falle einer
Neuwahl – die wegen der Schwäche der Opposition nicht zu erwarten ist
– trotz solcher Dissonanzen eine satte Mehrheit. Doch dies ist einzig
und allein den Grünen zu verdanken. Schon vor einem Jahr war ihr
Wahlerfolg mit rund 12 Prozent entscheidend für den Wechsel, nun
können die Grünen sogar auf über 20 Prozent hoffen. Der Juniorpartner
von einst steht auch in Nordrhein-Westfalen mit den Genossen fast
schon auf Augenhöhe. Das einst so gepriesene und oft wieder
herbeigesehnte rot-grüne Projekt hat daher in den Augen von
SPD-Strategen viel von seinem Glanz verloren. In Düsseldorf zumindest
wagt von roten Köchen und grünen Kellnern bereits jetzt niemand mehr
zu sprechen.
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