Von Reinhold Willfurth
Schleimige Verschmutzungen fanden die Kontrolleure bei Müller Brot
vor, übelriechenden Dreck, Schaben und als Dreingabe eine tote Maus.
Vor zwei Wochen machten sie das Werk in Neufahrn deshalb dicht. Dass
jetzt, wo Kontrolleure und Öffentlichkeit sensibilisiert sind, ein
ähnlicher Fall auch in einer viel kleineren Bäckerei in der Oberpfalz
ans Licht kommt, überrascht wohl kaum jemanden. Und wie geht es
weiter? Ein paar Tage öffentliche Erregung und ein
Gesundheitsminister, der sich halbherzig gegen Vorwürfe wehrt, die
eigentlich sein Vorgänger zu verantworten hat. Und wenn alles klappt,
rollen ab heute schon wieder die Müller-Semmeln von der Backstraße
des Skandalbetriebs, Insolvenz hin oder her. Der Appetit könnte einem
vergehen, wenn man sich ansieht, unter welchen Umständen jahrelang
bei Müller-Brot produziert wurde. Dabei spielt es schon beinahe keine
Rolle mehr, dass die Gesundheit des Verbrauchers gar nicht bedroht
war, zumindest nicht von den aufgedeckten Missständen. Aber das hat
ja auch für manche Lieferpartien im Ekelfleisch-Skandal gegolten,
deren widerliche Zutaten einem den Atem stocken ließen. Es war also
ein hilfloses Rückzugsgefecht, das Minister Marcel Huber und der
Präsident des „Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit“
gestern im Landtag betrieben. Wenn man sich beim Bäcker nicht mehr
sicher sein kann, ob das Brot nur komisch schmeckt oder eine Gefahr
für Leib und Leben darstellt, helfen auch keine chemische Formeln.
Brotlose Kunst war auch das Argument der beiden Verbraucherschützer,
man müsse bei solchen Dingen zwischen dem Fortbestand von Firmen und
Arbeitsplätzen einerseits und der Verbraucherinformation andererseits
abwägen. Abgesehen davon, dass Behörden und Politik gerade durch ihr
langes Schweigen die Firma an den Rand des Ruins mitbefördert haben,
muss sich ein Ministerium, dass sich dem Verbraucherschutz
verschrieben hat, ohne Wenn und Aber auf die Seite der Konsumenten
schlagen. Marcel Huber hat jetzt die Gelegenheit, es besser zu machen
als sein Vorgänger Markus Söder, der sich im vergangenen Jahr als
einziger Ressortminister dagegen sträubte, die Schmutzfinken der
Branche öffentlich zu machen. Auch Verbraucherministerin Ilse Aigner
sollte jetzt rasch den Beweis antreten, dass ihr Ministerium seinen
Namen zurecht trägt. Es gibt aber auch ein grundsätzliches Problem,
das die Politik nicht lösen kann. Der öffentliche Druck ist bisher
noch nicht groß genug, damit Berlin die Verbraucher früher über
Ekelbetriebe informiert und sie besser davor schützt. Das liegt an
der weitverbreiteten Discount- und Wegwerf-Mentalität hierzulande.
Das in metaphysische und religiöse Dimensionen gehobene „täglich
Brot“ ist plötzlich nichts mehr wert, wenn es einen Tag alt ist. Weil
dies auf Dauer ins Geld geht, greift man gern zum Produkt aus dem
Billig-Regal, das aber leider so billig gebacken ist, dass es nach
einem Tag erst recht nicht mehr schmeckt. Ein Teufelskreis, aus dem
nur ausbrechen kann, wer mehr Wert auf Qualität legt und bereit ist,
für den Genuss auch mehr zu zahlen. Dafür landet dann aber auch
weniger Brot im Müll. Eine einfache Rechnung, die anderswo gut
funktioniert. Italiener und Franzosen zum Beispiel geben viel mehr
Geld für Lebensmittel aus. Die Skandale dort halten sich in Grenzen.
Die Wertschätzung für Lebensmittel ist auch eine Erziehungsaufgabe.
Wenn Kinder lernen, leckeres und gesundes Essen zu genießen, gibt es
irgendwann einmal keinen Bedarf mehr für Billigbrot-Fabriken.
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