Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel „Mittelbayerische Zeitung“ (Regensburg) zu Ernährung/Dioxin/Bio

Was wollen wir uns leisten?

In einem Fernsehbeitrag gab es neulich einen interessanten Test.
Vor einem Supermarkt wurde ein Verkaufsstand aufgebaut, an dem es
Schweineschnitzel und Eier zu kaufen gab. Beides spottbillig. Denn
auf einem Schild wurde darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um
Produkte handelt, die mit Dioxin belastet sind – knapp unterhalb der
vorgeschriebenen Grenzwerte. Das Fernsehteam ging davon aus, dass
sich nur wenige Menschen zum Kauf entschließen würden. Ein Irrtum!
Schnitzel und Eier fanden reißenden Absatz. Angesichts solcher Bilder
fragt man sich, ob den Menschen ein Stück Fleisch auf dem Teller
wichtiger ist, als ihre Gesundheit. Es ist nicht verwunderlich, dass
die Menschen gerade beim Fleisch so sehr auf den Preis achten, denn
nie zuvor kam es so häufig auf den Tisch wie heute. In Zahlen
ausgedrückt stieg der Pro-Kopf-Verbrauch seit 1950 von 26 Kilo auf 60
Kilo im Jahr an. Woher die Tiere im Kochtopf oder auf dem Grill
kommen? Sicherlich nicht von grünen Wiesen! Ohne Massentierhaltung,
Billigfutter und dem erlaubten Griff in den Arzneimittelschrank wären
diese Fleischmengen von den landwirtschaftlichen Betrieben nicht zu
diesen Preisen lieferbar. Ähnlich ist es bei Obst und Gemüse. Wer
noch selbst in seinem Garten anbaut, der weiß, dass Krankheiten,
Hitze oder viel Regen schnell die Ernte zunichte machen können.
Weniger Produktion unter erschwerten Bedingungen bedeutet für den
Erzeuger deshalb immer einen höheren Preis. Doch den wollen die
wenigsten Verbraucher bezahlen. Die Gründe dafür sind ganz
verschieden. In jedem Fall dürfte für einen nicht unwesentlichen Teil
der Bevölkerung Bio einfach zu teuer sein. Sie greifen bei billiger
Ware zu, weil sie sich und ihre Familie sonst nicht satt bekommen
würden. Wer mit einem niedrigen bis mittleren Einkommen eine Familie
ernähren soll, der muss bei den Lebensmitteln genau kalkulieren.
Äpfel, Bananen oder Paprika in Bioqualität kosten etwa ein Drittel
mehr als konventionell produzierte Ware. Für Fleisch und Wurst mit
dem Öko-Siegel muss man häufig sogar das Doppelte investieren. Bei
einer vierköpfigen Familie summiert sich ein ausgewogenes Mittagessen
dann schnell auf einen üppigen Betrag. Für Hartz IV-Empfänger ist
Bio-Qualität im Tagessatz von 4,28 Euro erst gar nicht vorgesehen.
Deshalb wird gekauft, was im Discounter gerade günstig angeboten
wird. Dass sich viele gerne nachhaltiger ernähren würden, zeigt eine
Umfrage der „Apotheken Umschau“. Dort gaben kürzlich 35,9 Prozent der
befragten Deutschen an, dass sie zwar gerne zu Bioprodukten greifen
würden, sie sich diese aber nicht leisten können. Das zeigt sich auch
immer wieder in Versuchen der Industrie, ökologisch hochwertige
Lebensmittel stärker auf dem Markt zu platzieren. So scheiterte der
Geflügelproduzent Wiesenhof damit, ein schonender aufgezogenes
„Weidehähnchen“ gewinnbringend abzusetzen. Für den Versuch wurde das
Unternehmen zwar mit Anerkennung bedacht, dennoch griffen die
Verbraucher weiterhin zur günstigeren Standardware. Soll sich Bio in
Deutschland durchsetzen, dann braucht es auf allen Seiten mehr guten
Willen. Der Staat muss Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft bevorzugt
fördern. Bio-Lebensmittel dürfen nicht zwangsläufig im
Hochpreissektor angesiedelt werden. Was günstig produziert werden
kann, sollte auch günstig angeboten werden. Und zuletzt muss auch der
Verbraucher lernen, dass er lieber weniger Fleisch isst, dafür aber
von glücklichen Tieren aus Ställen der Region.

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