Was war das für ein Sturm der Entrüstung, der
da durch Niederbayerns Wälder rauschte, über Oberpfälzer Seen
hinwegfegte und Oberfrankens Hügel erbeben ließ! Der Zukunftsrat der
schwarz-gelben Staatsregierung, ätzten aufgebrachte Politiker aller
Parteien, betätige sich mit einem Gutachten zur Entwicklung Bayerns
als Totengräber des ländlichen Raums. Leistungszentren wie München,
Nürnberg oder Regensburg sollten gestärkt werden – und die ohnehin
benachteiligten Regionen auf dem Land verkämen zu bedeutungslosen
Naherholungsgebieten. Bei aller Liebe: Wer die Überlegungen dieses
hochkarätig besetzten Beratergremiums so verkürzt darstellt, der hat
sie in entscheidenden Passagen nicht gelesen, nicht verstanden oder
bewusst missinterpretiert, um sich mit markigen Sprüchen zu
profilieren. Dass der populistische Eiferer-Chor auch nach Wochen
nicht verstummt, setzt dem Ganzen die Krone auf. Seit Ende Januar,
als erste Inhalte der Studie an die Öffentlichkeit drangen, wäre
genug Zeit gewesen, Versäumtes nachzuholen und sich objektiv mit den
Aussagen der 22 Experten aus allen Bereichen der Gesellschaft zu
beschäftigen. Doch noch immer wird engstirnig und mit wenig
regionalem Selbstbewusstsein die Abschaffung des Zukunftsrats
gefordert. Weiter wird – bestes Beispiel war gestern der
Landesvorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger – dickköpfig
wiederholt, in allen Regionen Bayerns müssten gleichwertige
Lebensverhältnisse geschaffen werden. Nichts anderes als eine
„ausgewogene Entwicklung“ und Vernetzung aller Landesteile fordert
der Zukunftsrat, Herr Aiwanger! Um nichts weniger als eine Strategie,
„die der Bevölkerung standortunabhängig und dauerhaft annähernd
gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen gewährleistet“, geht es
in der Studie. Auch Hans-Peter Friedrich könnte eine genauere,
weniger emotionsgeladene Lektüre der gut 100 Seiten nicht schaden.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag will dem Gremium,
das Ministerpräsident Horst Seehofer mit Ideen zur Seite steht, ein
eigenes, einen „Zukunftsrat ländlicher Raum“, entgegensetzen. Herr
Friedrich: Wer bitte entzweit hier den Freistaat in seinen
Bemühungen, sich für die Globalisierung und den Wettbewerb der
Regionen zu rüsten? Dieses überlebenswichtige Anliegen führt über
hysterisches Politikergeschrei hinaus. Es abzuwürgen, indem für den
Zukunftsrat quasi ein Denkverbot ausgesprochen wird, ist starker
Tobak. Allen Politikern, die zuletzt empörte Aussagen in
Journalisten-Blöcke diktierten, sei gesagt, dass es hier um ein
starkes Bayern als großes Ganzes geht, um ein gemeinsames Leitbild,
in dem regionale Eitelkeiten nicht den Ton angeben dürfen, weil die
Herausforderungen der Zukunft zu groß sind. Und dennoch: Der
Zukunftsrat und Bayerns Regierung tun gut daran, die Reaktionen der
vergangenen Wochen in entscheidenden, tiefer gehenden Punkten ernst
zu nehmen und ihrerseits richtig zu deuten. Im Freistaat gibt es
gefährliche, über Jahrzehnte verfestigte Befindlichkeiten und ein
Gerechtigkeitsproblem. Begründet liegt es in einem
Stadt-Land-Gefälle, das nicht nur Förderprogramme und Investitionen
betrifft. Es hat seine Ursache auch und gerade in dem Gefühl vieler
Menschen außerhalb der Metropolen, Bürger zweiter Klasse zu sein.
Dieses Empfinden gilt es, den Menschen zu nehmen – genauso wie ihre
Ängste, sie könnten auf der Strecke bleiben oder ihre Heimat werde an
Bedeutung verlieren. Gelingt dies, wird es ein Leichtes sein, sie für
die Ideen des Zukunftsrats zu begeistern.
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