von Stefan Stark
Der Fall von Christian Wulff nimmt langsam Züge einer Tragödie an:
Seit einer Woche erleben wir die Selbstdemontage eines Politikers,
die von Tag zu Tag guttenbergesker wirkt. Der quälende Versuch, die
Vorwürfe zu entkräften, ohne das Gesicht zu verlieren, erinnert an
die Causa des falschen Doktors. Natürlich sind Promotionsaffäre und
Kreditaffäre zwei verschiedene Stiefel. Doch wie Karl-Theodor zu
Guttenberg vor neun Monaten erweckt nun auch der Bundespräsident den
Eindruck, nur das zuzugeben, was sich nicht mehr leugnen lässt.
Juristisch ist es kaum angreifbar, dass Wulff sich von
Geschäftsleuten ein Haus finanzieren ließ, das er sich eigentlich
nicht leisten konnte. Solange niemand nachweisen kann, dass es dafür
eine politische Gegenleistung gab. Und solange sich nicht beweisen
lässt, dass der CDU-Politiker in seiner Zeit als Ministerpräsident
das Parlament über seine Beziehungen zum Unternehmer Geerkens anlog.
Doch falls Wulff noch etwas zu sagen hat, dann sollte er schnell
Klartext reden. Das Staatsoberhaupt wollte mit seiner Erklärung am
vergangenen Donnerstag reinen Tisch machen. Das ist ihm misslungen.
Immer neue Vorwürfe werden laut und der Bundespräsident sieht sich
gezwungen, über seine Anwälte immer neue Mitteilungen nachzuschieben.
Wulff hat sich in die Defensive manövriert. Gleichzeitig entsteht der
Anschein, dass möglicherweise noch das eine oder andere dicke Ding
nachkommen könnte. Damit verspielt er seine Glaubwürdigkeit. Und er
spielt fahrlässig mit dem Ansehen des höchsten Amts im Staate. Man
stelle sich nur einmal Wulffs nächste Rede zur internationalen
Kreditkrise vor – und im Publikum beginnen die Leute zu tuscheln.
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