Neue OZ: Kommentar zu Angela Merkel/Gewerkschaften

Kuschelige Kanzlerin

Wer die Gewerkschaften milde stimmt, der kann potenziell mehr als
sechs Millionen Wähler für sich einnehmen, denn so viele Arbeitnehmer
sind gewerkschaftlich organisiert. So gesehen sind Politikerbesuche
beim DGB-Bundesvorstand gut investierte Zeit – vor allem, wenn
Landtagswahlen unmittelbar bevorstehen. Angela Merkel hat ihre Chance
jetzt erneut gut genutzt und bei zwei wichtigen Themen Signale
gesetzt: Altersarmut und Werkverträge. Ob Taten folgen, steht
freilich auf einem anderen Blatt.

Vor allem bei der Altersvorsorge leistet sich die Koalition ein
entnervendes Hin und Her. Noch immer ist ungeklärt, wie Schwarz-Gelb
Geringverdiener mit langjährigem Erwerbsleben vor Altersarmut
bewahren will. Höchste Zeit, dass die Kanzlerin die Angelegenheit zur
Chefsache macht.

Sehr zur Freude des DGB will Merkel künftig auch bei Werkverträgen
genauer hinsehen. Man fragt sich allerdings: Warum erst jetzt? Seit
Jahren schon nutzen windige Arbeitgeber jedes Schlupfloch, um Löhne
zu drücken. Und dies mit bitteren Folgen: Werkverträge laufen oft auf
extreme Ausbeutung hinaus. Sie zu stoppen und für faire Bezahlung
aller Arbeitnehmer zu sorgen ist überfällig.

Gewerkschafter sind mithin gut beraten, sich vom Kuschelkurs der
Kanzlerin nicht einlullen zu lassen. Dass sie ein Ohr für
Arbeitnehmer hat, kann man ihr nicht absprechen. Dass sie deren
Interessen energisch vertritt, muss sie erst noch unter Beweis
stellen.

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