Neue OZ: Kommentar zu deutscher Atomdebatte

Merkels Restrisiko

Das war klar: Die Katastrophe in Japan befeuert die deutsche
Atomdebatte. Unmittelbar vor wichtigen Landtagswahlen wie in
Baden-Württemberg ist das nicht ohne Brisanz. Denn die
Laufzeitverlängerung deutscher Atommeiler, mit der die gegenwärtige
Bundesregierung rot-grüne Beschlüsse der Vergangenheit aufweichte,
war von Beginn an ein Zugeständnis an die Energiewirtschaft, nicht an
Basis und Wähler. Die sind weit kritischer als das Führungspersonal
von Union und Liberalen.

Selbst Befürworter der Atomkraft hatten sich auf den Ausstieg
eingestellt. Gegner hatten endlich Licht am Horizont gesehen. Auch in
konservativen Kreisen ist die Skepsis gegenüber der Kernkraft groß.
Einerseits aus rationalen Erwägungen wie den Gefahren und dem
ungelösten Müll-Problem, andererseits auch aus ethisch-prinzipiellen
Gründen: Von einer derart großen Kraft, die der Mensch offenkundig
nicht recht beherrscht, sollte er besser die Finger lassen.

Namentlich Angela Merkel tat dies nicht. Die Laufzeitverlängerung
zählte zu ihren Herzensdingen. Sie durchzusetzen war einer der
Kernpunkte ihrer bisherigen Amtszeit. Ein Restrisiko nahm sie dabei
sowohl persönlich als auch politisch in Kauf, nämlich dass sie bei
einem gravierenden Störfall oder gar GAU mit dem Rücken zur Wand
stehen würde. So ist es nun gekommen. Und was macht Merkel? Sie
spricht davon, nicht zur Tagesordnung überzugehen. Vage eine
„Überprüfung“ deutscher Kraftwerke anzukündigen klingt aber genau
danach. Überprüfen sollte sie lieber noch einmal ihre
Verlängerungsbeschlüsse.

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