Neue OZ: Kommentar zu Japan / Atom / Erdbeben

Wahrheit nur scheibchenweise

Evakuierungen sind eine logistische Herausforderung für Polizei,
Feuerwehr, Behörden und ehrenamtliche Helfer. Und eine höchst
emotionale Belastung für alle, die ihre Häuser und Wohnungen
verlassen müssen oder schon verloren haben. Dass Japan nach Erdbeben,
Tsunami und AKW-GAU bereits 300 000 Menschen in Auffanglagern
untergebracht hat, verdient zwar Respekt. Zumal sich die Zahl der
Evakuierten nach Ausweitung der Sperrzone noch deutlich erhöhen
dürfte und nicht abzusehen ist, wie lange der Notstand anhält.

Dennoch: Ministerpräsident Naoto Kan gibt im Krisenmanagement
alles andere als eine gute Figur ab. Wer auch einen Monat nach der
Katastrophe immer nur scheibchenweise mit der Wahrheit herausrückt,
macht sich unglaubwürdig und handelt verantwortungslos. Schon
tagelang warnen Umweltschützer vor der drastisch erhöhten
radioaktiven Strahlung außerhalb des 20-Kilometer-Radius um die
AKW-Ruine Fukushima. Auch in der Horroranlage selbst wird eher
herumprobiert, als in Abstimmung mit internationalen Experten
gehandelt.

So schafft man kein Vertrauen – weder bei der eigenen Bevölkerung
noch beim Rest der Welt, der tatenlos zusehen muss. Zugegeben: Eine
Patentlösung, wie bei einer derartigen Havarie zu verfahren ist, hat
niemand. Gerade deshalb symbolisiert Fukushima 25 Jahre nach
Tschernobyl erneut den Fluch der letztlich nicht beherrschbaren
atomaren Technik.

Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: 0541/310 207