Neue OZ: Kommentar zu Wulff

Christian Wulff kann ein wenig durchatmen. Er
muss sich momentan nicht vorrangig mit Vorwürfen wegen seiner
Kreditaffäre beschäftigen. Denn vorerst ist wieder der Alltag ins
Schloss Bellevue zurückgekehrt: Der Bundespräsident hat die Anschläge
auf nigerianische Christen in einem Beileidstelegramm verurteilt,
wurde vom Zentralrat der Juden gelobt für seine klare Ablehnung des
Rechtsterrorismus, die er in der Weihnachtsansprache zum Ausdruck
gebracht hat. Und vor dem Fest hat er noch das Stasi-Unterlagengesetz
in Kraft gesetzt.

An einem Rücktritt Wulffs zeigt in diesen Tagen nicht einmal
Sigmar Gabriel Interesse. Die Zurückhaltung des SPD-Vorsitzenden
liegt jedoch kaum in der weihnachtlichen Stimmung begründet. Eher hat
sie mit strategisch-taktischen Überlegungen zu tun, etwa mit den
Stimmenanteilen der Parteien in der Bundesversammlung. Ein Kandidat
der Sozialdemokraten, beispielsweise Joachim Gauck, wäre derzeit
selbst mit Zustimmung der Linkspartei kaum durchsetzbar. Wenn die
Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 6. Mai zugunsten der SPD
ausgeht, kann sich das ändern.

Den Umfragen zufolge spaltet Wulff die Deutschen. Strafrechtlich
ist dem früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten bisher nichts
vorzuwerfen. Dennoch hat das Vertrauen der Deutschen in das Amt des
Bundespräsidenten arg gelitten. Daher wird es für längere Zeit Wulffs
Hauptaufgabe bleiben, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion

Telefon: +49(0)541/310 207