Ein Abhörskandal erschüttert Polen. Über 900
Stunden wurden Gespräche der Politprominenz in einem Nobelrestaurant
mitgeschnitten. Gesammelt wurde dabei ein Sittengemälde der
polnischen Republik im 21. Jahrhundert. Die Sprache ist häufig
trivial und obszön, selbst dann, wenn es um Staatsgeschäfte geht.
Peinlich für die Abgehörten, noch peinlicher für diejenigen, die von
Staats wegen für den Schutz der Politiker zu sorgen haben. Offenbar
sind polnische Schlapphüte genauso leicht zu überlisten wie ihre
deutschen Kollegen. Denn der Trick war simpel. Im Chambre séparée
genügte ein simples, als Kellnerruf getarntes Abhörgerät, um eine
Staatsaffäre auszulösen. Wer dahintersteckt, ist noch nicht
aufgeklärt. Klar ist aber, wer daraus seinen Nutzen ziehen könnte.
Schnell fällt einem die nationalkonservative Partei von Jarosław
Aleksander Ka-czynski ein. Mit feinem Umgang ist sie weder innen-
noch außenpolitisch aufgefallen. Natürlich darf, nein sollte die
Gossensprache der politischen Klasse für Entrüstung sorgen. Doch ob
dies reicht, den Rücktritt der Regierung des durchaus erfolgreichen
Donald Tusk zu fordern? Eher nicht. Polen hat aktuell andere Sorgen
und kann sich derartige Aufgeregtheit nicht leisten. Für die
Europäische Union, für das deutsch-polnische Verhältnis wäre eine
Abwahl wegen künstlicher moralinsaurer Aufgeregtheit schädlich. Polen
und Europa brauchen Kontinuität mit Donald Tusk.
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