Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Rente Sprengstoff BERNHARD HÄNEL

Nahezu eine Nullrunde im Westen und im Osten
mehr als drei Prozent, das ist schwer vermittelbar. Bei einer
Durchschnittsrente von etwa 900 Euro im Westen beträgt die
Rentenerhöhung magere 2,25 Euro. 16 Millionen West-Ruheständler
ballen die Fäuste. Nicht wenige werden darüber nachdenken, ob sie
sich mit ihrer zahlenmäßigen Macht bei der Bundestagswahl im
September rächen sollen. Die Verärgerung ist verständlich. Der
statistische Warenkorb, mit dem die monatliche Inflationsrate
errechnet wird ist großteils anders gefüllt als der der aktiven
Bevölkerungsgruppen. Rentner investieren selten in Smartphones oder
Spielkonsolen. Was nach Begleichung der stetig steigenden Miet-,
Strom- und Gasrechnungen übrig bleibt, wird fürs Essen benötigt. Und
auch die Enkel sollen bedacht werden – so sie welche haben. So
betrachtet ist die diesjährige Rentenerhöhung für die meisten Rentner
ein Hohn. Sieht man von berechtigten Gefühlen ab und betrachtet die
Fakten, steckt dennoch Logik und sogar politische Vernunft darin. In
der schmalen Anpassung steckt der Altersvorsorgeanteil
(„Riester-Treppe“ genannt) sowie ein Rückholfaktor für die 2009 von
der Großen Koalition aus Wahlkampfgründen gegebenen Rentengarantie.
Zur Erinnerung: Die Krise des Jahres 2009 hatte nicht nur die Löhne
unter Druck gebracht; nach der Logik der Anpassungsformel hätte dies
eine Minusrunde für Rentner bedeutet. Heute, da die Löhne wieder
steigen, können Rentner kaum einsehen, dass ihre Kaufkraft weiter
sinkt. Neidgefühle werden wach gegen Politiker und Beamte. Die einen
bestimmen frei über ihre Altersbezüge, die anderen erhalten Pensionen
nach einer Formel, die neidisch machen kann: dem Pensionsanspruch
liegt die letzte Besoldungs- und Dienstaltersgruppe zu Grunde. Das
ist der soziale und ökonomische Sprengstoff der Zukunft.

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