Sechs Mal machte CDU-Chefin Angela Merkel in den
letzten Wochen die Ochsentour durch die Basis – und bekommt kurz vor
Beginn des Wahljahres trotzdem keine Ruhe in ihre Partei. Während
eine trotzig gegründete Wahlalternative und ein halbherzig an die
Öffentlichkeit getretener Berliner Kreis die Rückbesinnung auf die
guten alten konservativen Werte fordern, wollen nun 20 weitaus
jüngere Großstadtabgeordnete der CDU ob der anhaltenden
Stimmenverluste ihrer Partei in den großen Metropolen das genaue
Gegenteil: Öffnung und Modernisierung. Eben das, was Heiner Geißler
auch schon mal Entstaubung genannt haben soll. Viele zentrale
gesellschaftliche Diskurse fänden in den Großstädten ohne die CDU
statt oder liefen an ihr vorbei, konstatieren womöglich dereinst
wieder als junge Wilde bezeichnete Christdemokraten. Sie wollen vor
allem der Option Schwarz-Grün neues Leben einhauchen, die Union aber
auch über Ordnung und Sicherheit hinaus in den sogenannten weichen
Themen profilieren – und auf die von der SPD enttäuschten und den
Grünen eher entfernten Reste der klassischen Arbeiterschicht zugehen,
»um sich als Anwalt der kleinen Leute darzustellen«. Ganz abgesehen,
dass all das nicht gerade auf Herzensangelegenheiten hindeutet, aber
zumindest die Anerkennung eines Zusammenhangs zwischen
CDU-Wahlergebnissen und zunehmenden sozialen Problemen in den
Metropolen ist – für die Kanzlerin wird es Tag um Tag nicht leichter,
zwischen Bewahrern und Entstaubern zu vermitteln.
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