Neues Deutschland: Ja zu ESM und Fiskalpakt: Alles offen

Am meisten kann sich Joachim Gauck freuen. Der
Bundespräsident ist die Bürde los, die ihn bisher an der Unterschrift
unter den ESM-Vertrag gehindert hat. Darüber hinaus erlaubt die
Entscheidung der Karlsruher Richter nun die Weiterfahrt auf der
abschüssigen Bahn einer marktkonformen Fiskalpolitik, und niemand
weiß, welches Hindernis hinter der nächsten Biegung lauert. Dem
Bundesverfassungsgericht hieraus einen Vorwurf zu machen, hieße
allerdings, es mit Erwartungen zu überfrachten. Gesetze werden in
Karlsruhe nicht gemacht. Die Entscheidungen über die EU-Finanzpolitik
sind politisch gewollt und können nicht juristisch, sondern nur
politisch aufgehalten werden. Es ist sogar nachvollziehbar, wenn
einige der Kläger, also ausgemachte Gegner von ESM und Fiskalpakt, in
der Entscheidung etwas Positives erkennen – die Betonung des
parlamentarischen Mitspracherechts samt der Vorbehalte, zu denen dies
gegenüber den vorliegenden Verträgen führen muss. Das ist eine
Bestätigung dafür, dass die EU-Fiskalpolitik der Bundesregierung hart
an den Grenzen des grundgesetzlich Erlaubten entlangschrammt. Nach
dem Urteil ist nichts besser als vor dem Urteil, wenn man die Folgen
der Euroverträge für die Menschen in den Ländern der EU-Zone vor
Augen hat. Abgesehen davon, dass die Richter um eine Bewertung des
Fiskalpakts einen Bogen gemacht haben, was ihnen im
Hauptsacheverfahren womöglich abverlangt werden kann. Ein
Friedensschluss jedenfalls ist am Mittwoch nicht erfolgt. Die Bürde
liegt nur woanders.

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