Eine Voraussage, wie das Bundesverfassungsgericht
demnächst urteilen wird, birgt nicht allzu viel Risiko. Die
Zuwendungen zum Lebensunterhalt von Flüchtlingen sind zu gering, da
kann kein Zweifel bestehen. Wenn Karlsruhe den Hartz-IV-Regelsatz
2010 als Rechtsverstoß bewertet hat, muss das für den ungleich
niedrigeren und willkürlich bestimmten Satz für Flüchtlinge, der seit
1993 nicht verändert wurde, erst recht gelten. Wenn Flüchtlingskinder
nur zwei Drittel der Zuwendungen erhalten, die ihren deutschen
Altersgefährten als Mindestleistung zugestanden werden, verstößt das
gegen die Kinderrechtskonvention der UNO. Nicht also die Rechtslage
birgt Diskussionsbedarf. Vielmehr ist es die Frage, wieso der
Gesetzgeber, wieso die Politik sich der dringenden Anpassung so
hartnäckig verweigert. Wieso es erneut die Karlsruher Richter sind,
die Reparaturbedarf feststellen, dem gegenüber die Bundesregierung in
wechselnder Besetzung immer mit der gleichen Blindheit geschlagen
ist. Es ist müßig, die kleinlichen Argumente über falsche Anreize und
Überforderung von Sozialsystemen zu wiederholen, die hier gewöhnlich
ins Feld geführt werden. Angemerkt sei nur, dass der Vorwurf des
staatlichen Rassismus, der gewöhnlich Entrüstung weckt, wenn es um
die befördernden Gründe von Nazigewalt gegenüber Migranten geht,
genau hier eine seiner Ursachen hat. Die Menschenwürde, Grundrecht
und Verfassungsgut, wird allzu gern außerhalb Deutschlands
verteidigt. Doch dazu kann man getrost hier bleiben. Am Tag des
Flüchtlings und an jedem Tag.
Pressekontakt:
Neues Deutschland
Redaktion
Telefon: 030/2978-1715