Neues Deutschland:Überhangmandate – Problem gemildert, nicht gelöst

Es gibt Begriffe, die nur auf sehr abstrakten
Gedankenwanderungen entstanden sein können und sich dem landläufigen
Verständnis weitgehend entziehen. Überhangmandat ist so ein Begriff;
negatives Stimmgewicht ein anderer. Beide beschreiben irrationale
Auswüchse des deutschen Wahlsystems, die das Ergebnis von Wahlen, den
berühmten Wählerwillen, schwer verfälschen und im Einzelfall sogar
auf den Kopf stellen können. Die Auseinandersetzung darum und der
Kampf um eine bessere, einleuchtende Regelung währt seit Jahren. Das
Verfassungsgericht hatte schon einmal ein neues Gesetz verlangt, das
aber kaum etwas änderte. Schwarz-Gelb, zuvor auch Rot-Grün ließen die
Sache laufen – auch in der Hoffnung, gelegentlich selbst von der
Verzerrung des Parteienwettbewerbs zu profitieren. Karlsruhe hat nun
die Politik zum zügigen Handeln verdonnert; rechtzeitig vor der
Bundestagswahl in gut einem Jahr muss das neue Gesetz stehen. Es ist
nicht auszuschließen, dass die von den Verfassungsrichtern verlangten
faktischen Zugeständnisse der Koalition an die Opposition selbst Teil
des Wahlkampfes werden, was eine sachliche Diskussion sicher nicht
fördert. All zu konsequent allerdings haben die Karlsruher Richter
nicht entschieden. Mit ihrer Festlegung, die Anzahl der nicht
auszugleichenden Überhangmandate auf 15 zu begrenzen, haben sie das
Problem abgemildert, aber nicht beseitigt. Ein bisschen ungerecht ist
immer noch ungerecht.

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