Man kann ja noch nicht alles sagen an diesem Abend
der ersten Wahl des Superwahljahrs 2011. Aber eins steht fest, auch
wenn zuletzt alle damit gerechnet haben: Das Hamburger Ergebnis, eine
dicke zweistellige Vier für die Sozialdemokraten, ein Durchmarsch zur
absoluten Mehrheit womöglich, ist eine Sensation. Einen solchen
Triumph hätte sich vor gut einem Jahr, nach der krachenden Niederlage
bei der Bundestagswahl mit 23 Prozent (und 27 in Hamburg), kein noch
so glühender Anhänger der SPD erträumt. Da lag doch alles in Trümmern
– an der Elbe, wo sich die Sozialdemokraten unterwegs noch in
fiesesten Intrigen selbst zerlegt hatten, erst recht. Es muss also
etwas passiert sein in der Zwischenzeit, besser, da muss sich
reichlich was zusammengebraut haben für einen derartigen Erdrutsch.
Wir zählen mal zusammen: Das schwarz-grüne Bündnis, das Ole von Beust
2008 zusammengesetzt hatte, hatte in den beiden Parteien keine Basis.
Es spiegelte stattdessen die zerrissene politische Seele des
ehemaligen Bürgermeisters und Volkshelden Ole von Beust. Mit seinem
Abgang war der Absturz programmiert. In der Sachpolitik hat sich erst
der schwarz-grüne, zuletzt auch der nur noch schwarze Senat unmöglich
gemacht. Seine großen Projekte, Schulreform und Haushaltssanierung,
scheiterten ebenso kläglich wie der schlichte Versuch, Straßen und
Fußwege im Winter 2010 einigermaßen verkehrsfähig zu halten. Diese
Wahl war also, wie die meisten Wechselwahlen, eine glatte Abwahl.
Dass die Stimmenverluste bei Schwarz-Grün fast ausschließlich den
Sozialdemokraten zu Gute kommen, war dennoch kein Selbstgänger. Der
Wähler hätte sein Ventil auch an anderen Stellen öffnen können, er
hat das ja schon das ein oder andere Mal bewiesen in Hamburg. Es war
deshalb ein großes Glück für die SPD, dass der Schulreformgegner
Walter Scheuerl kein eigenes bürgerliches Bündnis gründete, sondern
bei der CDU unterschlüpfte. Und da die Hamburger FDP, ein ziemlich
zerstrittener Haufen, zwar ein attraktives Gesicht, aber kein
attraktives Politikangebot einbringen konnte, waren die Alternativen
in der Mitte einigermaßen verstellt. „Diesmal SPD“, dieser wenig
originelle Wahlspruch des sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Olaf
Scholz, zeigte insofern den einzig möglichen Fluchtweg für Hamburgs
zahlreiche Wechselwähler. Dass Scholz, gewiefter Taktiker, der er
ist, auch noch den Handelskammerchef als Schattenwirtschaftsminister
gewinnen und alle rot-roten Gedanken von Beginn an zur Seite wischen
konnte, war dann schon die zweite Hälfte der Miete. Nun darf man
einigermaßen gespannt sein, was der frühere Bundesarbeitsminister,
der den Bund in den kommenden Jahren gewiss nicht aus dem Auge lassen
wird, aus dem Pfund macht, das ihm die Wähler in den Schoß gelegt
haben. Er kann es ja ganz gelassen angehen lassen aus dieser Position
der Stärke, selbst wenn das amtliche Endergebnis ihm doch noch
Koalitionsverhandlungen auferlegen sollte. Gelingt ihm alles so gut
wie sein Wahlkampf, hat er sich auch für noch verantwortungsvollere
Aufgaben als die des Hamburger Bürgermeisters qualifiziert.
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