Neues Deutschland: zu den Anti-Castor-Aktionen

Was bringt Menschen dazu, sich bei minus zehn Grad
auf Schienen zu setzen oder gar eine Nacht im Zelt zu verbringen?
Dass selbst im braven Vorpommern inzwischen in einer solchen Art
mobil gemacht wird, hat seinen Grund weit weniger in dem konkreten
Atommülllager an der Küste – bei allen Problemen, die dieses
aufwirft. Wie schon im Herbst in Gorleben ging es in Greifswald im
Grunde um das Allgemeine. Um die Laufzeitverlängerung für
Atomkonzerne und einen gewissen Stil von Lobbypolitik. Um das
energiepolitische Rollback, das damit verbunden ist. Das ist der
Hauptgrund, der diese neue Anti-AKW-Bewegung am Ende des Jahres 2010
so stark macht. Immer mehr Bürgern scheint klar zu werden, auf
welches Problem die Allgemeinheit zusteuert. Die Zwischenlager stoßen
bald an ihre Kapazitätsgrenzen – und dass die Entsorgungspflichten
der Atomwirtschaft durch eine transeuropäische Mülljonglage zu
erfüllen seien, wirkt allmählich wie ein schlechter Witz aus einer
Comedy-Show. Ist es Kirchturmpolitik, sich in dieser Weise als
Standort unattraktiv zu machen? Der Vorwurf trifft die Vorpommern so
wenig wie die Wendländer. Alle wissen: Wer nicht aufschreit, ist
schnell der Dumme. Manchmal schadet ein derart erhöhter Standort
nicht, wenn man die Landschaft überblicken will. Schließlich sieht
man vom Turm des Greifswalder Doms aus bis in den Wahlkreis von
Angela Merkel.

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