Neues Deutschland: zum Karlsruher Spruch zur Sicherungsverwahrung

Es ist ein Grundprinzip des Rechtsstaats: Wer eine
Straftat begeht, kann nur nach einem Gesetz bestraft werden, das zur
Tatzeit gilt. Schon die alten Römer kannten diesen Rechtsgrundsatz.
Geht es um Straftäter, nimmt es die Bundesrepublik damit nicht so
genau. Sie hat die Sicherungsverwahrung nachträglich verhängt oder
verlängert und damit gegen die Menschenrechte verstoßen. Das hat der
Europäische Gerichtshof in Straßburg wiederholt festgestellt. Doch
die Politik versucht, das Urteil zu unterlaufen, fährt also fort mit
ihrem rechtswidrigen Tun. Im Klartext heißt das, sie will sich nicht
an die Menschenrechtskonvention halten, die sie unterzeichnet hat.
Man darf gespannt sein, wie die Bundesregierung ähnliches Verhalten
anderer Länder künftig bewerten wird. Der Schaden für die Grundrechte
in Europa ist in jedem Fall groß. Die Politik kann sich so
verhalten, weil sie die Mehrheit der Bürger hinter sich und das
oberste deutsche Verfassungsgericht auf ihrer Seite weiß. Das deutete
sich in der gestrigen Verhandlung an. Im Falle von
Sicherungsverwahrten bleibt sich Karlsruhe damit treu. Das Gericht
hatte 2004 auch schon der menschenrechtswidrigen nachträglichen
Anordnung sein Gütesiegel verliehen. Die Richter scheuen nun wohl
erneut vor einem unpopulären Urteil zurück. Ähnlich war es in den
vergangenen Monaten auch bei Hartz IV und dem Asylrecht. Wer
gesellschaftlich keine Lobby hat, hat sie offenbar auch nicht in
Karlsruhe.

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