Hand aufs Herz: Wer hätte gedacht, dass die
schwarz-gelbe Koalition die im vergangenen Herbst mit großen
Brimborium verabschiedete Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke
jemals zurücknehmen würde? Union und FDP schienen zu stark verfilzt
zu sein mit der Lobby der Energiekonzerne, denen man die meisten
Wünsche zu erfüllen bereit war. Und jedes noch so dumme
Pro-AKW-Argument beteten die Koalitionäre brav nach. Auch wenn bei
der Atomgesetznovelle und den Details der schwarz-gelben Energiewende
vieles im Argen liegt – vom gestrigen Tag geht eine wichtige
Botschaft aus: Im Energiebereich ist das Primat der Politik
zurückgekehrt. Plötzlich trifft sich die Regierung nicht mehr mit den
Konzernchefs von RWE, E.on & Co. und lässt sich auch von deren
Klagedrohungen nicht erpressen. Der lautstarke Anti-AKW-Protest kann
sich dies auf seine Fahnen schreiben, und die schweigende,
atomkraftkritische Mehrheit wurde nicht ignoriert. Allerdings heißt
(Real-)Politik eben auch: windelweiche Kompromisse, Rücksichtnahme
auf die einflussreichen Energiewende-Gegner in den schwarz-gelben
Reihen – und vor allem die Möglichkeit einer erneuten Kehrtwende.
Daher heißt der gestrige Koalitionsbeschluss noch lange nicht
Dezentralisierung der Energieversorgung, Bürgerwindparks, Stärkung
demokratisch kontrollierter Stadtwerke, massive Energieeinsparung,
Mieterrechte. Primat der Politik bedeutet eben etwas anderes als
Primat der Demokratie.
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