Die Nominierung von Joachim Gauck zum
Bundespräsidenten hat die LINKE unverhofft in eine Situation
gebracht, in der sie fast alles richtig machen konnte. Doch wieder
einmal – wie nach der Bundestagswahl 2009, als sie ihr zweistelliges
Ergebnis zur Startrampe für ein innerparteiliches Muskelspiel nutzte
– ist sie dabei, politische Vernunft zu verspielen. Etliche Genossen
suchen offenbar mit mehr Energie nach dem »fast« als nach dem
»richtig«. Kaum hatte die Parteivorsitzende Gesine Lötzsch ihr erstes
Telefonat mit der anerkannten Antifaschistin Beate Klarsfeld geführt,
wurden weitere Namen aufs Schild gehoben, die das Programm der LINKEN
besser repräsentieren würden. Geht es diesmal wirklich darum? Oder
nicht doch darum, all jenen einen Bezugspunkt anzubieten, die von der
Gauckschen Weltsicht, insbesondere seinem Fremdeln mit sozialer
Gerechtigkeit und seiner porösen Beschönigung der Sarrazin-Thesen,
ernüchtert sind? Ohnehin steht nur an, drei Wochen lang bis zum 18.
März ein hör- und sichtbares, über das Eigeninteresse hinausweisendes
Zeichen zu setzen. Da sind akribische Gesinnungstests, ob die
Kandidatin etwa hinsichtlich des israelisch-palästinensischen
Konflikts in das Strömungsraster der LINKEN passt, deplatziert. Es
bedarf am Montag, wenn die Parteispitze ihre Kandidatenziehung
verkündet, wohl eines tiefen Griffs in den Tuschekasten, um einen
Affront gegen wen auch immer zu übermalen. Fast hätte die LINKE sich
als eine, als einige Partei zeigen können, die ernsthaft in die
politische und gesellschaftliche Debatte zurückkehrt. Doch die
Selbstdemontage geht weiter. Wissen sollte man: Nicht aus jeder Asche
steigt ein Phoenix.
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