NOZ: NOZ: Interview mit den Ministerpräsidenten Stephan Weil, Daniel Günther, Manuela Schwesig

Ankerzentren: Norden verlangen Klarheit von der
Bundesregierung

Weil: Großer Begriff herausposaunt – Günther: Nur Schlagwörter

Osnabrück. Im Streit um die Einführung von Ankerzentren haben die
Regierungschefs von Niedersachsen und Schleswig-Holstein von der
Bundesregierung parteiübergreifend Klarheit gefordert. In einem
gemeinsamen Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag)
sagte Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD), „keiner weiß,
was das eigentlich sein soll. Es wäre wesentlich klüger, Herr
Seehofer würde auf den Tisch legen: Dies und das haben wir vor und
wir nennen das in Zukunft Ankerzentrum. Stattdessen wird ein großer
Begriff herausposaunt und alle Welt zerbricht sich den Kopf, worüber
denn eigentlich genau diskutiert wird.“

Rückendeckung erhielt er von seinem Kieler Kollegen Daniel
Günther. „Wir haben uns aus ähnlichen Gründen, wie Herr Weil sie
beschrieben hat, zurückgehalten“, sagte der Unionspolitiker der NOZ.
Die grundsätzliche Idee, in einem Ankerzentrum über Asylanträge
schnell zu entscheiden, halte er für klug. „Aber wenn man nur über
Schlagwörter redet und nicht definiert, was damit gemeint ist und wie
es funktionieren soll, so lange beteiligen wir uns in
Schleswig-Holstein nicht“, sagte Günther an die Adresse der Berliner
Politik.

Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, Ankerzentren
als Anlaufstelle für Asylbewerber einzurichten, insbesondere wenn sie
wenig Aussicht auf Anerkennung haben. Zuständig ist
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).

Regierungschefs im Norden fordern verstärkten Dialog mit Russland

Schwesig: Nord Stream 2 muss kommen – Weil: Neue Phase der Politik

Osnabrück. Die Ministerpräsidenten von Niedersachsen,
Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern haben zu einem
verstärkten Dialog mit Russland aufgerufen. In einem gemeinsamen
Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) sagte
Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD), „wir brauchen keine
weiteren Sanktionen, wir brauchen mehr Diplomatie und
Zusammenarbeit“. Auch wenn man nicht einfach zur Tagesordnung
übergehen dürfte, müsse man registrieren, dass die bisherigen
Strafmaßnahmen der Ukraine-Krise „nicht viel bewegt“ hätten.
„Deutschland muss dazu beitragen, dass die globalen Zentrifugalkräfte
nicht überhand gewinnen“, sagte Weil und sprach von einer „neuen
Phase deutscher Außen- und Sicherheitspolitik“.

„Auch – oder gerade – bei Meinungsverschiedenheiten muss der
Dialog gepflegt werden“, pflichtete ihm Manuela Schwesig aus Schwerin
bei. „Wenn das in der Vergangenheit nicht geschehen wäre, säße ich
heute nicht mit meinen beiden Kollegen hier, was ich sehr bedauern
würde“, sagte die stellvertretende SPD-Vorsitzende. Sie begrüße es
daher, „dass die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister jetzt
wieder stärker das Gespräch suchen“. Die Lockerung von Sanktionen sei
nicht der erste Schritt der Annäherung – „aber sie könnte das
Ergebnis eines solchen Dialogs sein“.

Insbesondere warnte Schwesig davor, der Gaspipeline Nord Stream 2
weitere Steine in den Weg zu legen. „Nord Stream 2 ist nicht nur für
Mecklenburg-Vorpommern wichtig, sondern für ganz Deutschland. Wir
wollen keine Atomkraftwerke, wir wollen aus der Braunkohle austeigen,
aber ein gewisses Maß an beständiger Energieerzeugung braucht
Deutschland“, erklärte sie.

Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther (CDU) sagte, er
unterstütze die Forderung, auch und gerade bei Spannungen im Gespräch
zu sein. Die Sanktionen seien allerdings richtig, so lange sich
Russland nicht bewege, fügte er hinzu.

EU-Haushalt: Nordländer warnen vor Kürzungen im ländlichen Raum

Schwesig: Gleichwertige Lebensverhältnisse beachten – Weil:
Riesenfehler

Osnabrück. Die norddeutschen Länder haben die EU vor Kürzungen bei
regionalen Fördermitteln gewarnt. In einem Interview mit der „Neuen
Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) sagte Niedersachsens Regierungschef
Stephan Weil (SPD), es wäre ein „Riesenfehler“, die Strukturfonds
einzustellen, weil sie „für die Bürger immer wieder sehr konkret
unter Beweis, dass die EU nützlich ist“.

Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela
Schwesig, sagte, „alle reden von der Gleichwertigkeit der
Lebensverhältnisse, und das ist nicht allein eine Frage zwischen Ost
und West, sondern gerade auch zwischen Stadt und Land“. Man brauche
zudem nicht über die Stärkung des ländlichen Raumes zu sprechen, wenn
zugleich die Unterstützung der Landwirtschaft gesenkt werde, sagte
die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende.

Daniel Günther, Regierungschef in Kiel, gestand der EU höhere
Zahlungen aus Deutschland sowie die Kürzung von Leistungen in dem
gemeinsamen Interview mit seinen Kollegen, durchaus zu. Alles andere
könne wegen der Einnahmeausfälle nach dem Brexit nach seinen
„Kenntnissen aus dem Mathe-Leitungskurs nicht funktionieren“. Im
Gegenzug verlangte der Christdemokrat allerdings eine bessere
Performance der Brüsseler Institutionen. „Die EU muss mehr Leistung
bringen“, forderte Günther besonders mit Blick auf die
Flüchtlingspolitik.

Lieber zu Hause: Nord-Regierungschefs sehen Berliner Politik
durchgehend kritisch

Günther: Fundamental anders – Weil: Viel Rauch – Schwesig: Immer
gerne zurück

Osnabrück. Lieber zu Hause: In einem gemeinsamen Interview mit der
„Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) haben die Ministerpräsidenten
Stephan Weil und Manuela Schwesig (beide SPD) sowie Daniel Günther
(CDU) ungewohnt offen Einblicke in ihr Verhältnis zu Berlin und ihre
Liebe zum Norden gegeben.

„Es gibt relativ viel Rauch für relativ wenig Feuer“, beschrieb
Weil als Regierungschef in Hannover seine Sicht auf die
Bundeshauptstadt. In Niedersachsen werde ein sachlicher Politikstil
gepflegt: „Wir streiten uns nur dann, wenn es in der Sache notwendig
ist.“ Das komme „dem Naturell der Menschen im Norden entgegen“. Auch
gebe es in der Hauptstadt Defizite im Vertrauen zueinander.

Ganz und gar unverblümt äußerte sich Günther. Weil habe
„keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal damit, dass er immer wieder
froh ist, aus Berlin zurück zu sein“, sagte der Christdemokrat. „Ich
bin gerne dort, aber auch nur, weil ich weiß, dass ich schnell zurück
sein kann.“ In Schleswig-Holstein würden Unterschiede nicht als
Schwäche, sondern als Stärke definiert, betonte Günther. Zudem könne
er sich auf Vertraulichkeit verlassen. Der Politikbetrieb in Berlin
sei fundamental anders. „Daran will ich mich auch nicht gewöhnen.
Berlin müsste deutlich anders werden, damit mich das reizen könnte“,
erklärte der Ministerpräsident, dem zur Zeit seines Amtsantritts noch
Ambitionen auf eine größere Rolle im Bund nachgesagt worden waren.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Schwesig, die in Schwerin
regiert und zuvor Bundesministerin war, bestätigte, es sei in Berlin
„wesentlich schwerer, Politik in der Sache zu machen“. Als
Ministerpräsidentin gestalten und zugleich im Bund Einfluss nehmen zu
können, gefalle ihr als Kombination sehr gut – „vor allem, wenn man
in der Tat immer wieder nach Schwerin zurückfahren kann“.

Nord-Länder dringen auf Bildungsreformen

Günther kritisiert Noteninflation – Einheitliche Standards für
Prüfungen gefordert

Osnabrück. Die Ministerpräsidenten von Niedersachsen,
Schleswig-Holstein und Mecklenburg Vorpommern haben an ihre Kollegen
der übrigen Länder appelliert, das deutsche Bildungssystem rasch und
deutlich zu vereinheitlichen. In einem gemeinsamen Interview mit der
„Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Samstag) sahen sie an gleich mehreren
Stellen dringenden Handlungsbedarf.

„Es ist nicht überzeugend, dass der Wechsel von einem Bundesland
ins andere zu Familiendramen führen kann. Da müssen wir als
Ministerpräsidenten unsere Kultusminister und -senatoren ermutigen,
schneller dafür zu sorgen, dass es bei aller Vielfalt vergleichbare
Standards und geschmeidigere Übergänge gibt“, sagte Niedersachsens
Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).

Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther macht den
Wettbewerb der Schulsysteme maßgeblich für eine Inflation guter Noten
verantwortlich. „Im Moment ist unser Bildungsföderalismus so
ausgestaltet, dass es sich lohnt, möglichst gute Noten zu geben und
nicht möglichst gute Leistungen zu erbringen“, sagte der
CDU-Politiker. „Wenn man die Studienplatzvergabe an gute Noten
knüpft, hat jedes Land ein Interesse daran, dass der
Notendurchschnitt seiner Schüler besonders gut ist. Ob die Leistung
besonders gut ist, spielt eine geringere Rolle.“

Günther plädierte für einheitliche Standards. Einheitliche
Strukturen seien hingegen schwieriger umzusetzen. „Länder, deren
Schüler und Bildungssysteme vergleichsweise gut abschneiden, werden
niemals ihre Hand dafür heben, wenn man sich auf ein System
verständigt, das aus deren Sicht schlechter ist. Besser wäre also der
Weg, gemeinsame Standards für etwa Abschlussprüfungen festzulegen.
Auf diesen Weg sollte man sich machen.“

Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) rief den Bundesrat auf,
der weitgehenden Abschaffung des Kooperationsverbotes zuzustimmen.
„Jetzt müssen wir endlich handeln. Ich meine, dass die Lockerung des
Kooperationsverbots dringend kommend muss“, sagte die
stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende und frühere
Bundesfamilienministerin.

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