Prekäre, schlecht bezahlte
Beschäftigungsverhältnisse nehmen dramatisch zu. Das ist der Kern der
jüngsten Erkenntnisse des Deutschen Instituts für
Wirtschaftsforschung. Kein Vertun: Die Zeiten des gemütlichen, weil
ausgleichenden rheinischen Kapitalismus sind längst vorbei. Die
deutsche Wirtschaft muss sich auf globalisierten Märkten behaupten.
Niedriglöhne und ein flexibler Arbeitsmarkt inklusive zerbröselnder
Tarifbindungen verbessern in diesen Zeiten die Wettbewerbsfähigkeit
deutscher Unternehmen. Die Frage ist aber, ob Deutschland sich das
leisten kann.
Denn langfristig werden die Kosten für die Allgemeinheit immens
sein. Die Altersarmut wird zwangsläufig zunehmen. Wer heute für ein
Mini-Gehalt arbeitet, wird im Alter auf staatliche Unterstützung aus
Steuergeldern angewiesen sein. Niedriglöhner zahlen, wenn überhaupt,
nur Kleckerbeiträge für Pflege- oder Krankenversicherung und können
sich natürlich keine kapitalgedeckten Zusatzversicherungen leisten.
Auch hier werden staatliche Zuschüsse steigen. Schlimmer noch: Das
Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft und der gesellschaftliche
Zusammenhalt schwinden, wenn vor allen anderen Kapitaleigner und
Vorstandsmitglieder enorm von wirtschaftlichem Aufschwung
profitieren, die Entwicklung niedriger Einkommen aber dauerhaft davon
abgekoppelt ist. Das wird schlicht als ungerecht empfunden. Menschen,
die sich über längere Zeit ungerecht behandelt fühlen, werden wütend.
Eine zunehmende Ungleichverteilung von Vermögen und Einkommen kann
so zu einer Zerreißprobe selbst für eine Wohlstandsgesellschaft
werden, in der es keine existenzielle Not mehr gibt. Zumal, wenn
gleichzeitig das Sozialsystem, das diese Ungleichverteilung
erträglicher machen soll, immer weiter ausgehöhlt wird.
Es wäre eine sinnvolle Investition in die Zukunft, wenn
Beschäftigte mehr vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren würden.
Wenn das die Wirtschaft nicht versteht, sollte die Politik sie dazu
bringen. Ein gesetzlicher Mindestlohn wäre zumindest ein Anfang.
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