NRZ: Kein Triumph für den Massenmörder – ein Kommentar von CORNELIA FÄRBER

Anders Breivik ist nicht psychisch krank. Es ist die
wesentliche Feststellung des Osloer Gerichts, dass ein übergroßes Ego
und ein krudes Weltbild nicht ausreichen, den Massenmörder von Utöya
für unzurechnungsfähig zu erklären. Nun also verhängte es die in
Norwegen erwartete höchstmögliche Strafe für einen Menschen, dessen
ungeheure Verbrechen nur einen Schluss zulassen – wenn Anders Breivik
nicht krank ist, dann ist er böse.

Aber ist er nur böse? Mit dem Urteil, das nun nicht mehr zulässt,
die 77 Morde als Taten eines Geisteskranken abzutun, geht auch für
den Staat und die Gesellschaft in Norwegen die schmerzhafte
Aufarbeitung der Geschehnisse um den 22. Juli 2011 weiter.

Denn so liberal sich das skandinavische Musterland auch gibt, so
sind auch dort Fremdenfeindlichkeit, Angst vor Islamisierung,
Abschottungstendenzen mit den Jahren einer offenen
Einwanderungspolitik in die Gesellschaft eingesickert. Für einen
Fanatiker wie Breivik mag das ein Nährboden gewesen sein, aus dem
sich seine faschistischen Ideologien gespeist haben.

Da war es dann umso beeindruckender, wie die Nation nach dem
ersten Schock auf Breiviks Verbrechen reagierte. Die Norweger
trauerten mit kollektivem Schulterschluss, Gottesdiensten,
Rosenumzügen – mit einer Solidarität, die in der Welt wohl
ihresgleichen gesucht hätte.

Das hat Anders Breivik so nicht gewollt. So bleibt ihm nur als
letzter, vermeintlicher Triumph, vom Gericht für seine Taten als
verantwortlich erklärt worden zu sein, so wie er es stets behauptet
hat.

Aber wen in Norwegen schert das noch, wohlwissend, dass der Mörder
von Utöya wohl auf immer eingesperrt sein wird. Die Debatte um den
Wert einer freien, toleranten Gesellschaft, die es zu schützen gilt,
ist längst im Gange. Man darf hoffen, dass die Norweger sie auch dann
weiterführen werden, wenn Breivik mitsamt seinem dunklen Gedankengut
hinter Gittern verschwunden sein wird.

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