Die Kanzlerin hat die Notbremse gezogen. Nach dem
historischen Debakel ihrer Partei bei der „kleinen Bundestagswahl“ in
NRW konnte die Karawane nicht einfach weiterziehen. Norbert Röttgen
hatte zwar die Schuld auf sich genommen, aber das Ausmaß der
Niederlage machte weitere Konsequenzen notwendig. Deshalb war
Röttgens Rausschmiss richtig. Die Kanzlerin hat wieder einmal
gezeigt, dass sie in der Stunde der Krise keine Freunde kennt. Der
Wille zur Macht ist wohl ihre dominierende Charaktereigenschaft.
Flapsig wurde Norbert Röttgen oft als „Muttis Liebling“ oder „Muttis
Klügster“ tituliert, was er nicht ungern hörte. Jetzt hat er gelernt:
Mutti kann ein ziemliches Biest sein. Wenn es ihr selbst an den
Kragen geht, reagiert sie brutal. Ihre eiskalte Erklärung des
Rauswurfs hat deutlich gemacht, dass sie ihrem früheren Protegé weder
vertraut noch duldet, das sein Misserfolg ihre Amtsführung in
Misskredit bringt. Noch am Montag hatte die Kanzlerin den
Umweltminister verteidigt und sich für Kontinuität in diesem Amt
ausgesprochen. Allerdings war ihr anzusehen, dass es sich eher um
eine Art Duldungsstarre, als Überzeugung handelte. Spätestens als
Horst Seehofer öffentlich Röttgens Kopf forderte, war dessen
Schicksal besiegelt. Der Geschasste ist aber kein Opfer. Mit einem
Rücktritt hätte er sein Gesicht wahren können. Dass er es auf den
Rauswurf ankommen ließ, spricht dafür, dass er, wie im NRW-Wahlkampf
eindrucksvoll bewiesen, sich selbst völlig überschätzt. Tatsächlich
gab es schon vor dem Fiasko in Düsseldorf vielstimmige Kritik an
seiner Amtsführung. Als Bundesumweltminister bekam er die
Energiewende nicht in den Griff. Dieses wichtigste wirtschaftliche
und gesellschaftliche Projekt der nächsten 20 Jahre hatte er zwar
angestoßen, für die Umsetzung aber keine praktikablen Ideen
erarbeitet. Selbst große Unternehmen kritisierten Stillstand und
Ratlosigkeit in Röttgens Ministerium. Peter Altmaier soll es nun
richten. Nicht gerade ein Experte, aber – mal wieder – ein Vertrauter
der Kanzlerin. Nach den tief gestürzten Politik-Ikarussen Guttenberg,
Wulff und Röttgen steht sein Name für das letzte Hurra des Systems
Merkel. Aus dem Regierungsbündnis ist eine Notgemeinschaft geworden.
Ob sie bis zur Bundestagswahl hält, ist fraglicher denn je.
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