Rheinische Post: Internet-Märtyrer
Von Matthias Beermann

An der Internetplattform Wikileaks scheiden
sich die Geister und an ihrem Mitgründer Julian Assange erst recht.
Für die einen ist er ein Held auf seinem heiligen Kreuzzug gegen die
finsteren Mächte dieser Welt – die freilich vorzugsweise in Amerika
zu sitzen scheinen. Für die anderen ist der Australier mit dem
narzisstischen Gehabe ein skrupelloser Verräter. Nach seiner
Verhaftung dürfte Assange eine neue Rolle zukommen: die des ersten
Internet-Märtyrers. Das laute Triumphgeschrei seiner Gegner in den
USA, die Assange längst als neuen Staatsfeind Nummer 1 identifiziert
haben, wird viele Menschen in dem von Assange kräftig selbst
geschürten Glauben bestärken, dass es hier nur darum geht, einen
unbequemen Mann aus dem Weg zu schaffen. Viel hängt jetzt vom
korrekten Verhalten der schwedischen Behörden ab. Eine Auslieferung
von Assange an die USA unter fadenscheinigen Vorwänden würde Amerikas
Ansehen endgültig ramponieren. Aber: Assange wurde wegen des von zwei
schwedischen Frauen erhobenen Vorwurfs der sexuellen Nötigung
verhaftet. Eine schwere Anschuldigung, der jeder Rechtsstaat dieser
Welt nachgehen muss – auch gegenüber einem Julian Assange, der die
Spielregeln gerne zu seinen Gunsten auslegt.

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