Schwäbische Zeitung: Europa ist nicht nur ein Wirtschaftsprojekt – Leitartikel 1 (Pro Griechenland in Eurozone)

Wenn für Vize-Kanzler Philipp Rösler der
mögliche Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone „längst seinen
Schrecken verloren“ hat, zeigt das zweierlei. Es zeigt, dass der
Bundeswirtschaftsminister und FDP-Chef zu einer Politiker-Generation
gehört, für die die verheerenden Weltkriege des 20. Jahrhunderts als
Richtschnur des politischen Handelns unwichtiger werden. Es zeigt
zweitens, dass der 39-Jährige Europa nur als Wirtschaftsprojekt
versteht. Doch das ist zu kurz gegriffen. Europa ist eine
Wertegemeinschaft, die europäische Integration ein Instrument des
Friedens.

Als im Jahr 1946 Politiker wie der Franzose Jean Monnet begannen,
die Europäische Gemeinschaft zu entwickeln, prägte ein Gedanke das
Streben aller Beteiligten: Solch ein Hass, der Europa innerhalb von
nur 30 Jahren zweimal in Schutt und Asche gelegt hat, darf niemals
wieder entstehen. Die Akteure waren dabei keine weltfremden
Fantasten, sondern sie fingen an, souveräne Staaten wirtschaftlich
miteinander zu verflechten. Dass sie dabei als allererstes den Handel
mit Kohle und Stahl der Aufsicht einer Behörde unterstellten, die den
nationalen Regierungen weisungsbefugt war, hatte Signalcharakter –
waren Kohle und Stahl doch die Rohstoffe, ohne die der Horror der
Weltkriege nicht möglich gewesen wäre. Dabei war eines immer klar,
das Primat gehörte der politischen Einigung, die Wirtschaft war nur
Mittel zum Zweck.

Griechenland ist ein ökonomisch maroder Staat, aber er gehört zu
Europa. Wer die Probleme der EU nur mit dem Quittungsblock lösen
will, darf nicht vergessen, um was es geht: Es geht um nichts weniger
als den Frieden. Wer rein wirtschaftlich argumentiert, hat Europa
nicht verstanden – und der sollte einmal mehr „Im Westen nichts
Neues“ lesen. Im Hinblick auf den Frieden ist Europa ein
Erfolgsmodell – und aller Anstrengungen wert.

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