Stuttgart 21 kann und muss jetzt kommen. Und das
zügig. Das ist die eine Lehre des Volksentscheids. Nicht einmal vor
Ort erhielten die Gegner eine Mehrheit. Frank und frei jubeln darüber
können die Befürworter. Trotz des für ihn in der Sache enttäuschenden
Ausgangs gewinnt aber auch der grüne Ministerpräsident Winfried
Kretschmann an Gestaltungsspielraum, weil sich sein Kabinett nicht
mehr so leicht auseinanderdividieren lässt. Natürlich hat er seine
Wahl auch der Kritik an Stuttgart 21 zu verdanken. Wer wie er, wer
wie die Grünen generell der direkten Demokratie mehr Gewicht
verleihen will, muss jetzt aber umschalten und darf keine neuen
Hürden aufbauen.
Kretschmann wird zugleich mit guten Argumenten die Entwicklung der
Kosten im Auge behalten. Dafür steht er vorrangig bei der grünen
Basis im Wort, die über die finanziellen Folgen des Bahnprojekts für
das Land noch einmal einen Hebel ansetzen wollte. Die Zuspitzung auf
diesen Punkt hat für die Zukunft den Druck auf die S-21-Befürworter
und insbesondere die Bahn erhöht. Der lange Zeit üblichen Verteilung
von Mehrkosten auf alle Beteiligten hat nicht nur Kretschmann eine
klare Absage erteilt. Lässt sich in einigen Jahren der Kostendeckel
nicht mehr halten, geraten die Sieger des Volksentscheids eher in
Erklärungsnöte als die Kritiker des Bahnhofs.
Generell müssen Bahn, Bund und Land den Konsens suchen, um Bahnhof
und Schnellbahntrasse Ulm – Wendlingen zu dem „Gewinn“ für das Land
zu machen, den jetzt auch der grüne Verkehrsminister Winfried Hermann
anstrebt. Die von ihm angekündigte kritische Begleitung des Projekts
ist kein Fehler in sich, wenn das Wohl des Landes dabei im
Vordergrund steht. Mehr Transparenz ist auf jeden Fall ein Muss nach
diesem Volksentscheid, der alle Demokraten bindet. Der friedliche
Protest wird zwar nicht enden, die Zahl der Demonstranten wird aber
nachlassen. Ihr Protest bleibt legitimiert. Gegen einen harten Kern
gewaltbereiter Gegner wird sich der Rechtsstaat zu schützen wissen.
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