Der Mann kann vor Kraft kaum laufen. Nicht zu
Unrecht tritt Recep Tayyip Erdogan in Deutschland selbstbewusst auf.
Der türkische Premier steht mit seiner politischen wie
wirtschaftlichen Bilanz glänzend da. Die Türkei bilanziert
Wachstumsraten, von denen die EU-Staaten nur träumen können. Und der
sogenannte Arabische Frühling hat Ankara dorthin katapultiert, wo
sich die stolzen Türken ohnehin schon immer gesehen haben: in die
erste Reihe. Schließlich geht es um die Vormachtstellung im Nahen
Osten und die Erschließung neuer Märkte im muslimischen Raum.
Erdogan hat geschickt taktiert. Er weiß, dass der Westen nach dem
Sturz der greisen Machthaber in der arabischen Welt neue Verbündete
braucht. Anders etwa als Deutschland bewies Erdogan beim Einsatz in
Libyen Verlässlichkeit als Nato-Partner. So kann er sich auch als
Sieger über Diktatoren feiern lassen, gleich, ob in Ägypten, Libyen
oder Tunesien. Erdogan reklamiert für sein Land eine Führungsrolle,
und in diesem stolzen Bewusstsein begibt sich der konservative Muslim
auf Auslandsreise.
Das erklärt auch seine markigen Sprüche fernab des diplomatischen
Protokolls. Denn eines ist eindeutig, Erdogan hat nicht die
Verbesserung der Beziehungen mit der Bundesregierung im Auge, er
zielt auf seine Landsleute, wenn er das große Wort führt. Seit Jahren
provoziert er das politische Berlin, seit Jahren erhält er dafür
Applaus bei seinen Wählern. So verstoße Deutschland gegen die
Menschenrechte, wenn es Deutschkenntnisse als Voraussetzung für ein
Leben in der Bundesrepublik verlange. Oder die Unterstellung,
deutsche Stiftungen unterstützten indirekt kurdischen Terror. Starker
Tobak für einen Premier, dessen Land zwar demokratische Fortschritte
macht, aber bei der Umsetzung von Frauenrechten, der Meinungsfreiheit
oder fairen Gerichtsverfahren erhebliche Defizite hat. Erdogan schürt
Vorurteile gegen Deutschland, um daheim Stimmung zu machen. Ein
stolzer Staatsmann, der seiner Leistungen sicher ist, hat so etwas
nicht nötig.
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