Schwäbische Zeitung: Unser aller Lampedusa – Leitartikel

Manche der Kinder, die vor wenigen Tagen vor
Lampedusa ertranken, trugen neue Turnschuhe. Sie waren fein gemacht
für die Ankunft im verheißungsvollen Europa. Dort, wo es, egal wie
arm man sein würde, besser sein sollte als in Eritrea, dem Land das
von einem Diktator regiert wird, den Kenner als Psychopathen
bezeichnen. Oder auch besser als in Somalia, einem Staat, den es seit
20 Jahren nicht mehr gibt.

Jedes Jahr ertrinken Hunderte im Mittelmeer, Flüchtlinge aus
Syrien, aus Iran und Afghanistan, aus dem Gazastreifen, dem Irak,
Somalia und Eritrea. Tragödien wie jene vor wenigen Tagen vor der
italienischen Küste spielen sich, mit einer geringeren Anzahl von
Opfern, ebenso vor den Ägäischen Inseln ab, wo Flüchtlinge in
überladenen Gummibooten aus der Türkei in die EU gebracht werden. Die
Schikanen, denen die Flüchtlinge in Griechenland und Italien
ausgesetzt sind, mögen beschämend für diese Länder sein. Für den Rest
der EU, der das Problem an der Peripherie belässt, sind sie eine
Schande. In Berlin oder Paris wird in Kauf genommen, dass die
Flüchtlinge im Rahmen des Dublin-II-Abkommens dorthin zurückgeschickt
werden, wo sie zum ersten Mal den Boden der EU betraten. Für die
meisten Bootsflüchtlinge sind das Italien oder Griechenland. Im
Zentrum Europas sieht man das Problem nicht und wenn Griechen oder
Italiener doch einmal schimpfen, gibt es ein bisschen Geld für
Flüchtlingsheime.

Vielleicht wird die Tragödie vor Lampedusa den Blick Europas
ändern. Flüchtlinge werden immer kommen, Menschen, die nach einem
besseren Leben oder nur nach Sicherheit suchen. Dafür braucht es eine
moderne Politik, die das Problem nicht mit Geldzahlungen lösen will,
sondern mit der Arbeit der EU-Behörde Frontex und der gemeinsamen
Luftaufklärung Tragödien wie die vor Lampedusa zu verhindern
versucht. Die Betroffenheit in Brüssel und Berlin reicht nicht. Den
Griechen und Italienern muss bei der Überwachung des Mittelmeers und
der Versorgung der Gestrandeten geholfen werden.

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