Schwäbische Zeitung: Wulffs Fall ist ein Fall Merkel – Kommentar

Gefälligkeiten unter Freunden, ein
500000-Euro-Kredit, Wutanrufe – die Causa Wulff bietet Schrecken ohne
Ende. Dass bald ein Ende mit Schrecken folgt – sprich: der Rücktritt
-, scheint unausweichlich; allein es bleibt die Frage nach dem Wann.

Ebenso interessant ist die Wulff–sche Kreditklemme im Hinblick auf
eine zweite Person: Angela Merkel. Denn ihr ohrenbetäubendes
Schweigen in der Affäre ist ein weiterer Mosaikstein einer
erschreckenden Bilanz: Seit der Wahl 2009 hat die Kanzlerin
innenpolitisch auf ganzer Linie versagt. Das ist umso bitterer, als
dass Merkel auf internationaler Bühne glänzt. Mit ihrem pragmatischen
Vorgehen hat sie Deutschland durch die Wogen der Finanz-,
Wirtschafts- und Schuldenkrise manövriert – und obendrein Europa auf
Kurs gebracht.

Wie anders ist da ihre Bilanz daheim. Der Koalitionspartner FDP
siecht? Merkel schweigt – und besänftigt die Liberalen mit einer
unsinnigen „Steuersenkung light“. Die CSU meckert? Prompt nickt
Merkel das Betreuungsgeld ab – eine Milliarden-Verschleuderung, die
die deutsche Familienpolitik um Jahre zurückwirft. Mindestlohn?
Frauenquote? Rente mit 67? Stets drückt sich die Tarnkappenkanzlerin
um klare Worte. Nun das peinliche Lavieren des Herrn Wulff. Und
Merkel, die ihn einst ins Amt hievte? Sie schweigt. Wieder einmal.

Rächen wird sich das bei der Bundestagswahl 2013. Denn auch wenn
bis dahin der Euro erstarkt, Europa geeint, ja selbst wenn
Griechenland gerettet sein sollte: Wahlen in Deutschland werden
traditionell im Inland entschieden.

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