Herr Neff, Sie schreiben, dass sich das einst vorbildliche Mutterland der Demokratie in ein Problemland verwandelt hat. Was wird der Leser erfahren?
Die Vereinigten Staaten von Amerika haben sich während der letzten Jahrzehnte in ihren demokratischen Einrichtungen stark verändert. Seit etwa 1990 pocht die Republikanische Partei auf eine Parteidisziplin, die jede Zusammenarbeit behindert und ein raues Politklimas entstehen liess.
Das Land ist seither deutlich in unversöhnliche Lager gespalten. Die kompromissbereite Politik ist kaum mehr gelebt mit dem Effekt, dass viele Probleme ungelöst bleiben. Die Parteidisziplin ist wichtiger als das Wohl des Landes.
Ein Problemkreis sind die Steuern. Die international tätigen Firmen bewirken durch Lobbying, dass sie Gewinne legal ins Ausland verschieben wegen
Steuervermeidung. Und die Superreichen erreichten mit denselben Mitteln, dass grosse Steuerlöcher zu ihren Gunsten entstanden. Der Geist der Demokratie, dass ein Ausgleich und Schutz der Bürger anzustreben sei, wird immer mehr ausgehöhlt.
Das politische Leben Amerikas wird durch die Werte der Libertären Partei und die Tea Party Bewegung dominiert: Die Arbeit Einzelner wird gelobt, Ergebnisse von Gemeinschaftsarbeit ignoriert oder verachtet. Bereits eine Krankenkassenpflicht wird als sozialistisch abgetan.
Im Klappentext ist die Rede von vielen ungelösten Problemen. Was wird der Leser erfahren?
Die Ausführungen im Buch „Sorgenfall USA“ beschreiben den Zusammenhang von zu tiefen Mindestlöhnen und der daraus entstehenden Berechtigung, verschiedene Sozialleistungen zu beziehen. Jeder fünfte Amerikaner fällt in diese Kategorie und kann Lebensmittelmarken beziehen oder die Gratisleistungen von MediCare benützen. Es bestehen mehrere Armutsfallen wie die in Frage gestellte Krankenkassenpflicht, die wenigen Pensionskasseneinrichtungen oder die Ausgrenzung der im Stundenlohn Beschäftigten. Das grosse Budgetdefizit der Bundesregierung wird teilweise durch diese Sozialleistungen verursacht.
Der Text legt dar, dass grosse Firmen durch den tiefen Mindestlohn und die staatlichen Sozialleistungen subventioniert werden und die freie Markwirtschaft
eigentlich nicht mehr besteht. Die Infrastruktur sind in einem schlechten Zustand, das öffentliche Schulwesen wird schlecht eingestuft. Dass tiefe Steuereinnahmen, die eigenartigen Sozialgesetze und die Armutsfallen in einem Zusammenhang stehen, wird nicht erkannt. Gute
Beispiele aus dem Ausland werden grundsätzlich nicht beachtet, ja teilweise falsch und als schlecht dargestellt.
Wird die amerikanische Steuervermeidung auf internationaler Ebene beachtet? Wenn ja, was kann darüber berichtet werden?
Die Europäische Kommission stellte in Irland nicht legale Steuerpraktiken fest und verlangte von amerikanischen Firmen Steuernachforderungen. Ebenso hat die OECD ihre Grundlagen angepasst, um die Steuervermeidung zu beheben. Die sehr reichen Familien verliessen die europäischen Steueroasen und zogen in die USA nach Delaware, Nevada oder Florida, um dortige Steuergesetze zu benützen. Die Bemühungen der amerikanischen Steuerbehörde, eigene Steuerflüchtlinge ausfindig zu machen, richtete sich an Amerikaner und hat nichts mit heren Idealen für Steuergerechtigkeit zu tun.
Sie haben zwei Bücher über die USA geschrieben. Warum?
Das erste Buch enthält Erinnerungen an meine erste Zeit in den USA, das zweite ist eine umfassende Analyse des Landes betreffend wirtschaftlichen Zusammenhänge und Fragen der Sozialpolitik. Auch wird der Frage der amerikanischen Demokratie viel Beachtung geschenkt.
Das Buch „Sorgenfall USA: Erklärungen zur funktionsgestörten amerikanischen Politik“ ist als gedrucktes Buch und als e-book erhältlich. Sind da Unterschiede?
Beide Bücher sind identisch.
Gibt es andere Bücher, die dasselbe Thema beschreiben?
Die Malaise der amerikanischen Politik wird in vielen anderen Zeitungs-, Zeitschriftenartikel und einigen Büchern behandelt. Der Ansatz des Buches
„Sorgenfall USA“, wirtschaftliche Argumente und Lösungen zu zeigen, habe ich nirgendwo gesehen. Viele der gegenwärtigen Probleme der USA sind hausgemacht, sie könnten relativ leicht und schnell behoben werden. Es gibt jedoch genügend Kräfte in der amerikanischen Politik, die an bestehenden Zuständen nichts ändern wollen.