Als Joschka Fischer 1985 als erster grüner
Landesminister in Turnschuhen zur Vereidigung antrat, wäre jeder für
verrückt erklärt worden, der prophezeit hätte: Da steht der
Wegbereiter einer neuen Volkspartei. Die Grünen haben sich von der
strickenden Chaostruppe zur biederen Bürger-Partei entwickelt – und
verkörpern heute den Zeitgeist weit überzeugender als liberale
Markt-Gläubige oder Umverteilungs-Linke. Der beste Beweis dafür, dass
an den Grünen und deren Hauptthema Umweltschutz keiner mehr vorbei
kommt, ist Horst Seehofers Atom-Wende: Auch um den Preis, Teile der
eigenen konservativen Klientel zu verprellen, kopiert Seehofer die
Grünen – nur um zu verhindern, dass der Akw-Streit auch noch bei der
nächsten bayerischen Landtagswahl Wähler zu den Grünen treibt. Genau
in dieser Kehrtwende liegt aber die eigentliche Antwort darauf, warum
die Grünen von Stuttgart bis Bremen, von München bis Berlin so
erfolgreich sind: Wo Seehofer, Merkel oder Gabriel nur wie
populistische Wendehälse wirken, verkörpern die Grünen Geradlinigkeit
– eine Tugend, die die Wähler in der Politik derzeit schmerzlich
vermissen.
Klaus Rimpel
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