Ein bücherschreibender Hinterbänkler aus dem
Bundestag erobert Deutschland. Das gab es noch nie, wenngleich einem
sofort einfällt, weshalb Peer Steinbrück, der noch nie eine Wahl
gewann, aber eine sehr wichtige versemmelte, zum Hoffnungsträger
werden kann: Klar, da ist noch Platz für eine Leuchtfigur, nachdem
Guttenberg so schmählich wie schmerzlich verlosch.
Auf den schwarzen folgt ein roter Guttenberg, was auch nur wieder
zeigt, dass den Deutschen die Parteien zunehmend gleichgültig werden.
Ob ein Hoffnungsträger links ist oder rechts, ist einerlei.
Hauptsache Hoffnung. Die Deutschen hatten immer schon eine Schwäche
für Politiker, die sich parteiübergreifend zu inszenieren vermögen.
Wenn dazu eine Portion Lästerei über den eigenen Laden kommt, umso
besser. „Heulsusen“ nennt Steinbrück die graumäusigen
Ü-60-Funktionäre der SPD. Das ist zwar ausgesprochen uncharmant,
hilft aber enorm, wenn man ein Held sein will.
Und dann ist da noch Helmut Schmidt, vom Volk verehrt, umso mehr,
je länger es her ist, dass er regierte. Steinbrück redet
schmidtschnauzenhaft als dessen semijugendlicher Wiedergänger. Sein
neues Buch ist der logische nächste Zug des Schachspielers
Steinbrück: Ein Gespräch mit Schmidt. Nörgler werden über diesen
räuberischen Akt geliehener Autorität jammern, Spötter werden
anmerken: Was soll–s, abgekupfert hat der Guttenberg doch auch.
Aber Steinbrücks größter Helfer heißt nicht Schmidt, sondern
Merkel. Ihre Regierung wirkt wie eine Anleitung zum Politikverdruss.
Die Chefin macht was und erklärt nichts. Nicht die Euro-Kapriolen,
nicht die Leos für die lupenrein undemokratischen Saudis. Und ihrem
liberalen Koalitionspartner kann man bei der öffentlichen
Schwindsucht zuschauen. Ein Duell Merkel gegen Steinbrück würde der
Peer gegen die Angela inzwischen klar gewinnen.
Und schließlich: Steinbrück ist der Liebling der Journalisten. Wir
schreiben ihn hoch, weil wir richtige Kerle mögen. Typen, die uns
Schlagzeilen liefern, die respektlos sind, auch uns gegenüber.
Sprach-Spieler, Krach-Schläger. Leuchttürme in einem Meer aus
Mittelmaß.
Fazit: Ist 2013 noch oder wieder Finanzkrise, wird Steinbrück der
Mann der Stunde. Sonst könnte ihm zum Verhängnis werden, dass nicht
das Volk oder die Journaille über seine Kanzlerkandidatur befindet,
sondern die SPD.
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