Hat der Bundespräsident im Fernsehen seine Freiheit
wieder gewonnen? Hat er sich die Macht zurück erobert über die
einzige Waffe, die er hat: sein Wort? Kann er morgen wieder ein ganz
normales Staatsoberhaupt sein, eines, das die Gier der Finanzmärkte
geißelt, die Bürger auffordert, sich nicht zu bereichern, für
Offenheit und Ehrlichkeit als politische Tugenden eintritt, in
Unterdrückerstaaten die Pressefreiheit einfordert. Und so weiter.
Wohl kaum. Durch seine Fehler hat Christian Wulff seine Möglichkeiten
und die seines Amtes schwer beschnitten. Er ist, aus eigenem
Verschulden, nicht einmal ein halber Spitzenstaatsbeamter. Das hat
sich auch durch seinen TV-Auftritt nicht geändert. Die Kanzlerin hat
nach dem gescheiterten Seiteneinsteiger Köhler einen Politprofi
gesucht, einen, auf den Verlass sein würde in puncto Seriosität und
Stilempfinden. Gerade von Wulff glaubte sie, Unfallfreiheit erwarten
zu können. Ein Irrtum. Ein Präsident, der um Verständnis bittet und
um Entschuldigung. Ein Präsident, der seine Familie nach vorne
schiebt. Und auch einer, der die seltsamsten Spekulationen um seine
Frau noch selbst befeuert, indem er diese als „Fantasie“ bezeichnet.
Einer, der sich am Ende selbst freisprechen muss, weil es kein
anderer tut. Zum Fremdschämen.
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