Mindener Tageblatt: Komemntar zu TV-Interview des Bundespräsidenten / Herr Wulff aus Osnabrück

Fassen wir zusammen: Herr Wulff aus Osnabrück,
damals noch niedersächsischer Ministerpräsident, hat sich von
Freunden Geld geliehen. Das hat er dem niedersächsischen Landtag
nicht in hinreichender Deutlichkeit mitgeteilt, als der danach
fragte. Er hat auch bei Freunden Urlaub gemacht. Bei dem Versuch, mit
der aus diesen Vorgängen resultierenden kritischen Berichterstattung
umzugehen, hat er sich nicht gerade als souverän erwiesen – was zu
weiterer hochnotpeinlicher Untersuchung seiner Eignung für das
höchste Amt im Staate führte. Samt einschlägiger politischer
Zweitverwertung. Muss ein Präsident deswegen zurücktreten? Darüber
kann man gewiss geteilter Auffassung sein. Fest steht: Mit wachsender
Intensität der medialen Tiefenbohrungen und den zunehmend höher
tönenden Leitartikeln geriet Volkes Meinung, zunächst noch recht
ungerührt, ins Schwanken. Die breitflächig ausgewalzte
Intensivdurchleuchtung eines – so vermuten wir mal – Charakters von
letztlich auch nicht größerer Komplexität als der überwiegenden
Mehrheit des Staatsvolks offenbarte Defizite zum Idealbild des
Ersatzmonarchen. Als der muss der Bundespräsident in unserer so
nüchternen, weil auch nur von Menschen gelebten Demokratie nun mal
herhalten. Und hatte nicht gerade auch schon ein Freiherr alle
optimistischen Vorstellungen von der Integrität einer reinen Elite
enttäuscht? Ob Christian Wulff mit dem spektakulären
Selbstkritik-Interview von gestern Abend seinen Kopf aus der Schlinge
ziehen kann, liegt nicht in seiner Hand. Der ob so viel Beschäftigung
mit diesem Thema inzwischen irritierte Bürger jedenfalls will langsam
Ruhe haben, das kennt man aus den Erregungskurven anderer „Affären“.
Doch selbst wenn ihm das rituelle Rücktrittsopfer erspart bleibt,
wird er für den Rest seiner Amtsperiode beschädigt bleiben. Und
sicher kein Ersatzmonarch mehr.

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