Bloß keine Panik! von Joerg Helge Wagner
Nein, gut sind die Nachrichten nicht aus der Euro-Zone. Das
überschuldete Griechenland kommt trotz der rabiaten Sparanstrengungen
nicht wieder auf die Beine: Es ist ja auch so, als wolle man
Muskelschwäche mit einer strengen Diät kurieren. Die anderen
Patienten Irland und Portugal haben kaum mehr zuzusetzen; am meisten
Wirtschaftskraft darf man trotz der Bankenkrise noch auf der grünen
Insel vermuten. Doch jede Regierung, die in Dublin oder Lissabon mit
dem Sparen richtig ernst machen will, riskiert ihren eigenen Sturz.
Und jetzt regieren im stabilen Geberland Finnland auch noch erklärte
Euroskeptiker mit! Da gibt der Euro prompt nach – auch gegenüber dem
ebenfalls schwächelnden Dollar. Zum echten Desaster fehlt jetzt bloß
noch eine richtige Panik – die genau deshalb unbedingt vermieden
werden muss. Treten wir also einen Schritt zurück und schauen uns
genau an, was es mit dem „euro-skeptischen Rechtsruck“ in Finnland
auf sich hat. Die Wahren Finnen des Populisten Timo Soini haben ein
Fünftel der Stimmen errungen, doch dieser Erfolg war nicht
überraschend. Alle Beobachter haben damit gerechnet. Das hat aber
weniger mit Griechenland und Portugal zu tun, sondern viel mit den
eingeebneten Unterschieden der drei bislang tonangebenden Parteien.
Es scheint, als ob Soinis Wähler eher von der finnischen
Konsens-Demokratie genug haben als vom Euro. Gegen den Euro –
genauer: den Stabilitätspakt zu dessen Sicherung – haben die
Rechtspopulisten auch nur einen Verbündeten: ausgerechnet die
Sozialdemokraten, die aber schon ihre Koalitionsbereitschaft
signalisiert haben. Doch auch zusammen haben beide gerade mal 38
Prozent und keine Mehrheit im finnischen Parlament, das den
Stabilitätspakt absegnen muss. Und die Konservativen, die künftig den
Premier stellen, stehen ebenso zur Gemeinschaftswährung wie die
Oppositionsparteien Zentrum und Grüne. Die Mehrheit weiß, dass der
Krisen-Tsunami vom Mittelmeer aus über den Atlantik irgendwann auch
in die Ostsee schwappt, wenn die Gemeinschaft jetzt nicht
zusammensteht. Schlimmstenfalls wird man sich also enthalten, wenn es
um das 80-Milliarden-Rettungspaket für Portugal geht. Nein, rund
800
Masse, die zur Kernschmelze des Euro führen kann. Selbst wenn die
Wahren Finnen den Premier stellen könnten, würde das nichts daran
ändern, dass das kleine Land gerade einmal für 1,8 Prozent der
Garantiesumme des Rettungsschirms einsteht. Wie sehr das die
Hebelwirkung begrenzt, wird sich im Land der Pisa-Sieger jeder
schnell ausrechnen können. Wie also umgehen mit dem finnischen
Rechtspopulismus? Am besten genau so wie mit seinen zahlreichen
Vorläufern in anderen europäischen Staaten: gelassen. Die
Embargo-artigen Überreaktionen, mit denen man einst die
Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen in Österreich unnötig
dramatisierte, wären jedenfalls eher ein Beitrag zur Verschärfung der
Euro-Krise. Man sollte auf die Vernunft der finnischen Mehrheit
setzen – und darauf, dass die Strategie „Entzaubern durch Umarmen“
bislang noch allen Rechtspopulisten ihre pseudo-revolutionäre
Attraktivität genommen hat. Das allein reicht freilich nicht. In der
EU-Kommission wie im Europaparlament muss man endlich daran arbeiten,
populistischen Euro-Skeptikern weniger Angriffsfläche zu bieten. Wenn
in Frankreich erst der Front National mitregiert, ist es zu spät –
und Panik doch noch angesagt. joerg-helge.wagner@weser-kurier.de
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